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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Geheimnis anvertrauen, das ich sonst niemandem anvertrauen würde. Ich weiß, daß du uns bald verlassen wirst und daß du es nicht an die Behörden. weitervermitteln wirst: Wir würden nicht mit heiler Haut davonkommen.
      Die Mönchsbrüder eines entfernten Ordens, die sich der Wissenschaft widmen, haben Mittel einer solchen Einwirkung auf den Willen und das Denken entdeckt, mit denen wir im Nu den ganzen Planeten bekehren könnten, denn es gibt dagegen kein Antidotum. Diese Mittel betäuben nicht, sie machen nicht stumpfsinnig, sie rauben die Freiheit nicht, sie tun dem Geist dasselbe an, was die Hand, die uns zwingt, den Kopf zum Himmel zu recken, den Augen antut, und die Stimme, die sagt: ›Sieh!‹ Das einzige Drängen, die einzige Gewalt bestünde darin, daß man nicht die Augen schließen kann. Diese Mittel zwingen, dem Geheimnis ins Gesicht zu schauen, und wer es so erblickt, der wird es nicht mehr loswerden, denn es prägt in ihm unverwischbare Spuren. Das wäre so, ich sage das nur zum Vergleich, als führte ich dich an den Rand eines Vulkans und verleitete dich, in die Tiefe zu schauen. Der einzige Zwang dabei wäre, daß du dies nicht mehr vergessen kannst. Somit sind wir jetzt schon allmächtig in der Konversion, denn wir haben auf dem Gebiet des Bekehrens zum Glauben die höchste Stufe der Freiheit des Handelns erreicht, die gleiche, die die Zivilisation auf einem anderen, dem der materiell-körperlichen Fertigkeit, erreicht hat. Wir können also schließlich… begreifst du? Wir besitzen diese missionarische Allmacht und wir werden nichts tun. Denn das einzige, worin sich unser Glaube noch offenbaren kann, ist die Weigerung zu diesem Schritt. Ich sage vor allem: Non agam. Nicht nur Non serviam, sondern auch: Ich werde nicht handeln. Ich werde es nicht tun, weil ich mit Gewißheit handeln kann und mit diesem Handeln alles erreichen kann, was ich will. Es bleibt uns somit nichts, als hier bei den versteinerten Rattenüberresten, im Gewimmel der ausgetrockneten Kanäle weiter zu existieren.«
      Ich fand keine Entgegnung auf diese Worte. Da ich die Fruchtlosigkeit eines weiteren Aufenthaltes auf dem Planeten erkannte, belud ich, nachdem ich mich von den ehrbaren Patern voll Rührung und Bedauern verabschiedet hatte, die Rakete, die glücklich unter der Tarnung überdauert hatte, und trat den Rückflug an. Ich fühlte, daß ich ein anderer Mensch war als jener, der vor gar nicht so langer Zeit auf diesem Planeten gelandet war.

    ZWEIUNDZWANZIGSTE REISE

    Ich bin jetzt viel damit beschäftigt, die Andenken, die ich von meinen Reisen in die entferntesten Winkel des Alls mitgebracht habe, systematisch zu ordnen. Seit langem schon trage ich mich mit der Absicht, diese in ihrer Art wohl einmalige Kollektion dem Museum zu übergeben; unlängst erst teilte mir der Kustos mit, er wolle dafür einen besonderen Saal bereitstellen.
      Nicht alle Exemplare sind mir gleich teuer; manche rufen heitere Erinnerungen in mir wach, andere hingegen lassen unheimliche, grauenvolle Begebenheiten wieder vor mir erstehen, alle zusammen jedoch stellen sie ein Zeugnis dar, das die Glaubwürdigkeit meiner Reisen vollauf bestätigt. Zu den Exponaten, die besonders intensive Erinnerungen erwecken, gehört ein Zahn, der auf einem kleinen Seidenkissen unter Glas ruht; er hat zwei große Wurzeln und ist völlig gesund; den hab ich mir gelegentlich eines Empfanges bei Oktopus, dem Herrscher der Memnogen vom Planeten Urtama, ausgebissen; dort wurden köstliche Speisen serviert, aber sie waren unerhört zäh.
      Der gleiche Ehrenplatz in der Sammlung gebührt meiner in zwei ungleiche Teile zerbrochenen Tabakspfeife; sie fiel mir aus der Rakete, während ich einen steinigen Globus aus der Sternenfamilie des Pegasus überflog. Da ich sie nicht missen mochte, verbrachte ich anderthalb Tage damit, sie in den Schluchten dieses zerklüfteten Felsenparadieses zu suchen.
      Nicht weit entfernt davon liegt ein Schächtelchen, das einen erbsengroßen Kieselstein beherbergt. Seine Geschichte ist höchst merkwürdig. Als ich einst nach Xerusien aufbrach, dem wohl entlegensten Gestirn im Zwillingsnebel NGC 887, hatte ich meine Kräfte fast überschätzt; die Reise dauerte nämlich so lange, daß ich schon dem Zusammenbruch nahe war; besonders stark quälte mich das Heimweh, und ich konnte kein ruhiges Plätzchen in der Rakete finden. Gott weiß, was noch alles daraus geworden wäre, wenn ich nicht am 268. Reisetag plötzlich gemerkt hätte,

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