Sterntagebücher
Gefahren.
Am Tage meiner Ankunft wußte die Presse gerade einen unerhörten Vorfall zu melden. Ein junger Bischute namens Termofeles gedachte auf der anderen Hemisphäre seines Planeten zu heiraten. Da er so schnell wie möglich zu seiner Erwählten gelangen wollte – eine bei Verliebten verständliche Ungeduld –, ging er zur Post und ließ sich drahten; kaum war dies geschehen, wurde der Schalterbeamte in einer dringenden Angelegenheit abberufen, und sein Vertreter telegrafierte nichtsahnend noch einmal dieselbe Personenbeschreibung, so daß sich nun bei der schmachtenden Braut zwei Termofelesse meldeten, einander so ähnlich wie zwei Wassertropfen. Die Verwirrung und Ratlosigkeit der Unglücklichen und der ganzen Hochzeitsgesellschaft läßt sich kaum beschreiben. Man wollte einen der beiden Termofelesse überreden, sich wieder pulverisieren zu lassen, um so die leidige Situation zu bereinigen, doch alle Bemühungen schlugen fehl, denn beide behaupteten hartnäckig, der richtige, der einzig wahre Termofeles zu sein. Die Angelegenheit kam vor Gericht und durchlief verschiedene Instanzen. Leider fällte das höchste Gericht seinen Spruch erst nach meiner Abreise, so daß ich nicht schildern kann, wie die Sache ausging. *
Die Bischuten redeten mir freundlich zu, doch auch einmal ihre Art des Ruhens und Reisens zu probieren, sie beteuerten, Irrtümer wie der oben erwähnte zählten zu den größeren Seltenheiten, und
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Anmerkung der Redaktion: Wie wir erfahren haben, sah das Urteil die Pulverisierung beider Verlobter vor und danach die Wiederherstellung eines Individuums; ein wahrhaft salomonisches Urteil.
der Vorgang als solcher enthalte nichts Rätselhaftes oder Widernatürliches, denn die lebenden Organismen seien, wie jeder wisse, aus der gleichen Materie zusammengesetzt wie alle uns umgebenden Gegenstände, Planeten und Sterne; der Unterschied liege lediglich in der wechselseitigen Verbindung zwischen den Teilchen und ihrem System. Ihre Argumente leuchteten mir ohne weiteres ein, dennoch stellte ich mich taub gegen alle Bitten.
Eines Abends hatte ich ein seltsames Erlebnis. Ich trat in das Haus eines mir bekannten Bischuten, ohne mich telefonisch angemeldet zu haben. Da ich den Raum leer fand, öffnete ich auf der Suche nach dem Hausherrn der Reihe nach verschiedene Türen (bei der unglaublichen, für die Wohnverhältnisse der Bischuten jedoch normalen Enge!), machte schließlich eine Tür auf, die kleiner war als alle andren, und erblickte das Innere eines Kühlschranks oder dergleichen, das leer war mit Ausnahme eines Faches. Dort stand eine mit aschgrauem Pulver gefüllte Kassette. Gedankenlos nahm ich eine Handvoll davon, da schlug eine Tür, und ich ließ das Pulver vor Schreck fallen.
»Was tust du, verehrter Fremder?« Es war das Söhnchen des Bischuten. »Gib acht, du verschüttest meinen Papa!«
Als ich das hörte, erschrak ich und war zutiefst betrübt, doch der Kleine rief: »Das macht nichts, gräm dich nicht!« Er rannte hinaus und kam wenige Minuten später mit einem Stück Kohle, einer Tüte Zucker, einer Prise Schwefel, einem kleinen Nagel und einer Handvoll Sand wieder; das alles warf er in die Kassette, schloß die Tür und drückte auf den Schalter. Ich vernahm ein dumpfes Seufzen oder Schmatzen, das Türchen ging auf, und mein Bekannter trat heraus, belustigt über meine Verwirrung, gesund und völlig intakt. Später fragte ich ihn, ob ich ihm dadurch, daß ich einen Teil seiner Materie verschüttete, einen Schaden zugefügt hätte, und wie sein Sohn die Sache so leicht habe in Ordnung bringen können.
»Ach, das ist überhaupt nicht der Rede wert«, meinte er, »Du hast mir in keiner Weise geschadet, wie solltest du! Die Ergebnisse der physiologischen Untersuchungen dürften dir, lieber Fremdling, ja bekannt sein. Sie besagen, daß sämtliche Atome unseres Körpers ständig durch neue ausgetauscht werden, die einen Verbindungen zerfallen, andere wieder entstehen; was abgeht, wird durch aufgenommene Nahrung und Getränke sowie durch die Atmungsprozesse ersetzt. Das alles zusammen heißt Stoffwechsel. Die Atome also, aus denen dein Leib vor einem Jahr bestand, haben ihn längst verlassen und schweben in fernen Gefilden; unveränderlich bleibt einzig die allgemeine Struktur des Organismus, das wechselseitig bedingte System der Stoffmoleküle. In der Art, wie mein Kleiner den zu meiner Wiederherstellung notwendigen Stoffvorrat ergänzt hat, liegt nichts
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