Sterntagebücher
Außergewöhnliches, unsere Körper bestehen doch aus Kohle, Schwefel, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und einer Spur Eisen. Die Substanzen, die er gebracht hat, enthalten die genannten Elemente. Bitte versuch es einmal, und du wirst sehen, wie harmlos der ganze Vorgang ist…«
Vorläufig schlug ich das freundliche Anerbieten aus. Lange noch konnte ich mich nicht entscheiden; am Ende jedoch rang ich mich zu dem kühnen Entschluß durch – es kostete mich allerhand Überwindung! Ich ließ mich im Röntgeninstitut durchleuchten und meine atomare Personenbeschreibung anfertigen, danach begab ich mich zu meinem Bekannten. Ich hatte einige Schwierigkeiten, mich mit meiner recht ansehnlichen Leibesfülle in den Apparat zu quetschen, und bedurfte der tatkräftigen Unterstützung des höflichen Hausherrn und seiner ganzen Familie. Doch es gelang: Die Tür schloß, und es wurde dunkel.
Was hinterher geschah, ist mir unbekannt. Ich fühlte nur meine höchst unbequeme Lage; die Kante des Faches drückte gegen mein Ohr. Doch bevor ich mich zu rühren wagte, öffnete sich die Tür, und ich war frei. Auf meine Frage, warum man das Experiment nicht ausgeführt habe, erklärte der Hausherr mit heiterem Lächeln, das sei ein Irrtum. Ein Blick auf die Wanduhr belehrte mich, daß ich tatsächlich zehn Stunden bewußtlos in dem Pulverisator verweilt hatte. Die einzige, übrigens geringfügige Unstimmigkeit bestand darin, daß meine Taschenuhr nicht weitergegangen war; aber wie sollte es anders sein, war sie doch ebenso wie ich in Atome zerstäubt worden.
Die Bischuten, mit denen mich bald eine überaus herzliche Freundschaft verband, erzählten mir, daß der Apparat noch bei anderen Gelegenheiten verwendet würde: Bei ihnen herrsche der Brauch, daß sich hervorragende Gelehrte fünfzig und mehr Jahre darin aufhalten, wenn ihnen ein unlösbares Problem keine Ruhe läßt, sodann wiederauferstehen, um in der Welt herumzufragen, ob das betreffende Problem schon gelöst sei. Wenn nicht, so lassen sie sich von neuem atomisieren, bis sie ihr Ziel schließlich einmal erreichen.
Da mein erstes Experiment so positiv abgelaufen war, überwand ich meine Ängstlichkeit und fand so viel Geschmack an dieser ungewohnten Schlafmethode, daß ich nicht nur die Nächte, sondern jeden freien Augenblick in atomisiertem Zustand verbrachte. Ich hatte auch im Park und auf der Straße Gelegenheit dazu, denn überall standen die briefkastenähnlichen Apparate mit den kleinen Türen. Man durfte nur nicht vergessen, den Wecker auf die richtige Zeit zu stellen; Zerstreute versäumen das bisweilen, und sie könnten in alle Ewigkeit so ruhen, wären nicht Kontrolleure eingesetzt, die allmonatlich sämtliche Pulverisatoren überprüfen.
Als meine Abreise kurz bevorstand, fand der Brauch der Planetenbewohner bereits meine uneingeschränkte Begeisterung, und ich wandte ihn, wie gesagt, auf Schritt und Tritt an. Diese Unbesonnenheit mußte ich jedoch büßen. Als ich nämlich wieder einmal einen Apparat benutzte, klemmte dieser, und als der Wecker morgens die Kontakte einschaltete, gewann ich nicht meine gewohnte Gestalt zurück, sondern sah mich als Napoleon Bonaparte in Kaiseruniform wieder, mit der Trikoloreschärpe der Ehrenlegion, einen Säbel an der Seite, einen goldbeschwerten Dreispitz auf dem Haupt, Zepter und Reichsapfel in der Hand – und so trat ich vor meine erstaunten Bischuten. Sie rieten mir, mich im nächsten einwandfrei arbeitenden Gerät umbilden zu lassen, was auf keinerlei Schwierigkeiten stoßen würde, da meine getreue Personenbeschreibung ja vorliege, aber ich empfand plötzlich solchen Wider willen gegen die Idee des Pulverisierens an sich, daß ich mich damit begnügte, den Dreispitz in eine Ohrenkappe, den Säbel in ein Eßbesteck und das Zepter nebst Apfel in einen Regenschirm umzuwandeln. Als ich wieder am Steuer meiner Rakete saß und der Planet hinter mir im Dunkel der ewigen Nacht versank, kam es mir plötzlich in den Sinn, daß ich leichtfertig gehandelt hatte, mich solcher greifbaren Beweise zu berauben – sie hätten meine Worte bekräftigen können! Aber es war schon zu spät.
VIERUNDZWANZIGSTE REISE
Tausendsechs Tage, nachdem ich das Lokalsystem im Nebelfleck der Nereide verlassen hatte, bemerkte ich auf dem Leuchtschirm meiner Rakete einen Fleck, den ich mit einem Lederlappen abzureiben versuchte. Mangels anderer Beschäftigung polierte und putzte ich vier Stunden an dem Schirm, bis ich
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