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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Igor, Esteban oder Auror gegeben hat, keinen Barnabas, Eusebius, kein Raumschiff, das »Kosmozyste« hieß, daß ich nie in der Schublade von Vaters Schreibtisch gelegen habe und auch er, auf Großvater Arabeus sitzend, nicht geflogen ist – nun, das ist nicht möglich! Sollte ich mir aus dem Nichts eine solche Anzahl Personen und Familiengeschichten zusammengereimt haben? Es heißt doch: ex nihilo nihil fit! Somit existierte die Familie, sie ist es, die mir den Glauben an die Welt wiedergibt und an diesen meinen Flug, dessen Ende unerforscht ist. Alles ist wieder in Ordnung gekommen, dank euch, meinen Vorfahren! Bald werde ich diese vollgeschriebenen Blätter in ein leeres Sauerstofffäßchen stecken und es über Bord werfen, es den Tiefen des Alls übergeben, mag es dahingleiten in die schwarze Ferne, denn navigare necesse est, und ich fliege, fliege seit Jahren…

    Januar 1966

    Aus den Erinnerungen Ijon Tichys

    I

    Ihr wollt, daß ich wieder etwas erzähle? Ja. Ich sehe, daß Tarantoga schon nach seinem Stenogrammblock greift… Warten Sie, Professor. Ich habe wirklich nichts zu erzählen. Wie? Nein, ich scherze nicht. Schließlich könnte ich ja auch mal Lust haben, einen Abend lang in eurer Gesellschaft zu schweigen. Weshalb? Nun, weshalb wohl! Meine Lieben – ich habe nie davon gesprochen, aber der Kosmos ist vor allem von solchen Wesen bevölkert wie wir. Nicht nur, daß sie menschenähnliche Gestalt haben, sie sind uns wie aus dem Gesicht geschnitten. Die Hälfte der bewohnten Planeten sind Erden, die einen etwas größer, die anderen kleiner, mit etwas kälterem oder etwas wärmerem Klima, aber was sind das schon für Unterschiede! Und ihre Bewohner… – die Menschen – denn es sind schließlich Menschen – erinnern so sehr an uns, daß die Unterschiede nur die Ähnlichkeiten hervorheben. Daß ich nie darüber gesprochen habe? Wundert euch das? Überlegt doch mal. Man blickt hinauf zu den Sternen. Verschiedene Begebenheiten fallen einem ein, Bilder tauchen auf… Am liebsten jedoch kehrt man zu den außergewöhnlichen zurück. Vielleicht sind sie schrecklich oder unheimlich oder makaber, ja sogar lächerlich, aber dadurch auch harmlos. Doch hinaufblicken zu den Sternen, meine Freunde, und wissen, daß diese blauen Fünkchen – setzt man den Fuß darauf – Staaten der Häßlichkeit, der Trauer, des Unwissens und des Ruins sind; daß es dort, im blauschwarzen Himmel, ebenfalls von alten Häusern, schmutzigen Höfen, Rinnsteinen, Müllplätzen, verwilderten Friedhöfen wimmelt…?
      Sollen die Erzählungen eines Mannes, der die Milchstraße besucht hat, an die Klagen eines Hausierers erinnern, der ein paar Provinzstädtchen abgeklappert hat? Wer würde ihm zuhören wollen? Und wer würde ihm glauben? Solche Gedanken befallen ei nen, wenn man etwas niedergeschlagen ist oder einen ungesunden Hang zu offenherzigen Ergüssen hat. Somit also – um niemanden zu betrüben oder zu beleidigen – heute nichts von den Sternen. Nein, schweigen werde ich nicht. Ihr würdet euch betrogen fühlen. Ich erzähle etwas, einverstanden, aber das wird nicht von einer Reise handeln. Schließlich habe ich auch auf der Erde so manches erlebt. Professor, wenn Sie unbedingt wollen, können Sie mit Ihren Notizen beginnen.
      Wie ihr wißt, habe ich hin und wieder Gäste, bisweilen sehr sonderbare. Ich werde eine gewisse Kategorie auswählen: verkannte Erfinder und Gelehrte. Ich weiß nicht weshalb, aber auf sie habe ich immer wie ein Magnet gewirkt. Tarantoga lächelt, seht ihr? Aber nicht über ihn wollte ich reden, er ist schließlich kein Erfinder. Heute werde ich von solchen erzählen, die keinen Erfolg hatten, oder vielmehr, die zu großen Erfolg hatten: Sie hatten ihr Ziel erreicht und die Vergeblichkeit ihres Tuns erkannt. Natürlich gestanden sie sich das nicht ein. Von keinem beachtet, vereinsamt, halten sie an diesem Wahn fest, den nur Ruhm und Erfolg bisweilen – allerdings äußerst selten – in ein Werk des Fortschritts verwandeln. Selbstverständlich waren die meisten von denen, die zu mir kamen, besessene Menschen, die nur eine Idee beseelte und die nicht einmal die ihre war, die sie von den vorangegangenen Generationen übernommen hatten, wie die Erfinder des Perpetuum mobile, arm an Einfällen, trivial in den Lösungen. Aber selbst in ihnen steckt jene Glut der Uneigennützigkeit, die das Leben verbrennt, die dazu zwingt, Anstrengungen zu erneuern, die von vornherein zum Mißerfolg verurteilt sind.

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