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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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die Hände in den Taschen seines Kittels vergraben. »Lauschen Sie doch mal, hören Sie sich das an. Ich rede später…«
      Eine außergewöhnliche, auffallende Ungeduld war in ihm. Er wollte sofort, als er anfing zu sprechen, auf den Kern eingehen, wollte die Sache hinter sich bringen, wollte rasch fertig sein. Als hielte er jeden Augenblick, den er mit einem anderen verbrachte, für vergeudete Zeit.
      Ich kniff die Augen zusammen und stand eine Weile reglos da, eher aus Höflichkeit als aus Neugier auf irgendwelche Laute. Beim Eintreten hatte ich eigentlich nichts wahrgenommen, vielleicht irgendwo ein schwächliches Summen des elektrischen Stroms in den Wicklungen, etwas in dieser Art, aber ich versichere euch, das war so geringfügig, daß man das Summen einer verendenden Fliege dabei ausgezeichnet vernommen hätte.
      »Na, was hören Sie?« fragte er.
      »Fast nichts«, bekannte ich, »eine Art Summen… Aber das kann auch das Rauschen in den Ohren sein…«
      »Nein, das ist kein Rauschen in den Ohren. Tichy, hören Sie aufmerksam zu, denn ich wiederhole mich nicht gern. Ich sage das, weil Sie mich nicht kennen. Ich bin weder ordinär noch unverschämt, wie man immer sagt, aber mich regen Idioten auf, denen man zehnmal ein und dasselbe wiederholen muß. Ich hoffe, daß Sie nicht zu ihnen zählen.«
      »Wir werden sehen«, erwiderte ich. »Sprechen Sie, Herr Professor…«
      Er nickte, zeigte auf die Reihen der eisernen Kisten und sagte: »Kennen Sie sich in elektronischen Hirnen aus?«
      »Nur soviel, wie das bei der Navigation notwendig ist. Mit der Theorie ist es bei mir schlecht bestellt.«
      »Das habe ich mir gedacht. Na, macht nichts. Tichy, hören Sie. In diesen Kisten befinden sich die vollendetsten Elektronenhirne, die es jemals gab. Wissen Sie, worauf ihre Vollkommenheit beruht?«
      »Nein«, antwortete ich wahrheitsgemäß.
      »Daraufhin, daß sie niemandem dienen, daß sie absolut zu nichts zu gebrauchen sind, daß sie unnütz sind; es sind von mir in die Tat umgesetzte, in Materie gekleidete Leibnizsche Monaden…«
      Ich schwieg abwartend, und er redete weiter, dabei sah sein grauer Schnurrbart in dem herrschenden Dämmerlicht aus, als flattere ein weißlicher Falter um seine Lippen.
      »Jede dieser Kisten enthält ein Elektronensystem, das Bewußtsein erzeugt. Wie unser Hirn. Es besteht zwar aus einem anderen Baustoff, aber das Prinzip ist das gleiche. Damit ist es auch schon aus mit der Ähnlichkeit. Denn unsere Hirne – geben Sie acht! – sind sozusagen an die äußere Welt angeschlossen, vermittels der Sinnenrezeptoren: der Augen, der Ohren, der Nase, der Haut und so weiter. Die hier hingegen«, er deutete mit dem Finger auf die Kisten, »haben ihre ›Außenwelt‹ da drinnen…«
      »Wie ist das möglich?« fragte ich. Mir dämmerte etwas, die Vermutung war nur vage, aber sie erweckte einen Schauer.
      »Ganz einfach. Woher wissen wir, daß so unser Körper aussieht und so unser Gesicht, daß wir stehen, daß wir ein Buch halten, daß die Blumen duften? Daher, daß gewisse Reize auf unsere Sinne einwirken und Anregungen durch die Nerven zum Hirn fließen. Stellen Sie sich vor, Tichy, daß ich Ihren Geruchssinn auf die gleiche Weise zu reizen vermag, wie das eine duftende Nelke tut – was werden Sie dann wahrnehmen?«
      »Nelkenduft natürlich«, erwiderte ich, und der Professor nickte, als sei er froh, daß ich ihm folgen konnte.
      »Wenn ich nun dasselbe mit allen Ihren Nerven tue, dann nehmen Sie nicht mehr die Außenwelt wahr, sondern das, was ich durch Ihre Nerven an Ihr Hirn telegrafiere… klar?«
      »Klar.«
      »Und nun folgendes. Diese Kisten haben Organrezeptoren, die analog zu unserem Geruchssinn, Gesichtssinn, Tastsinn, Gehör und so weiter wirken. Die Drähte dieser Rezeptoren – gewissermaßen die Nerven – sind anstatt an die Außenwelt, wie unsere, an diese Trommel dort in der Ecke angeschlossen. Sie haben sie noch gar nicht bemerkt, nicht wahr?«
      »Nein«, sagte ich. In der Tat, im Hintergrund stand senkrecht wie ein aufgestellter Mühlstein eine Trommel von etwa drei Meter Durchmesser. Nach einer Weile stellte ich fest, daß sie sich ganz langsam drehte.
      »Das ist ihr Schicksal«, sagte Professor Corcoran ruhig. »Ihr Schicksal, ihre Welt, ihr Dasein – alles, was sie erfahren und erkennen mögen. In der Trommel befinden sich besondere Bänder mit registrierten elektrischen Reizen, mit solchen, die den

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