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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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dann ist alles erlaubt. Ich bemerkte, daß er somit auch an Geister glauben könne. Savinelli fragte, ob ich jemals von einem Kybernetiker gehört hätte, der an Geister glaubte. Wir sprachen dann von etwas anderem, aber auch das, was ich gehört hatte, genügte, mich neugierig zu machen. Ich bin ein Mann von raschen Entschlüssen, also rief ich gleich am nächsten Tag an. Das Gespräch nahm ein Roboter entgegen. Ich sagte, wer ich sei und was ich wolle. Corcoran meldete sich erst am nächsten Tag, am späten Abend – ich wollte gerade schlafen gehen. Er sagte, ich könne gleich zu ihm kommen. Es war kurz vor elf. Ich versprach, sofort zu kommen, zog mich an und fuhr hin. Das Laboratorium war ein großes, düsteres Gebäude, nicht weit von der Chaussee entfernt. Ich hatte es schon einigemal gesehen, es jedoch für eine alte Fabrik gehalten. Es war in Dunkelheit getaucht. Nicht der schwächste Lichtschimmer erhellte eines der tief in die Mauer eingelassenen quadratischen Fenster. Auch der große Platz zwischen der eisernen Umzäunung und dem Tor war nicht erhellt. Ein paarmal stieß ich gegen scheppernde rostige Bleche oder Schienen, so daß ich schon etwas böse an der Tür ankam, die in der Dunkelheit kaum zu erkennen war. Ich läutete in der verabredeten Art, doch erst nach etwa fünf Minuten öffnete mir Corcoran selbst in einem grauen, von Säuren verbrannten Laborkittel. Er war entsetzlich mager, knochig, hatte eine Brille mit riesigen Gläsern und einen grauen Schnurrbart, der an einer Seite etwas kürzer war, als sei er angeknabbert.
      »Folgen Sie mir«, sagte er ohne jede Einleitung. Durch einen langen, kaum erhellten Gang, in dem Maschinen, Fässer, verstaubte, weiße Säcke Zement lagen, führte er mich zu einer großen stählernen Tür. Darüber brannte eine grelle Lampe. Er entnahm der Tasche seines Kittels einen Schlüssel, öffnete und ging als erster hinein. Ich folgte ihm. Über eine eiserne Wendeltreppe gelangten wir in die erste Etage. Eine große Fabrikhalle mit verglastem Gewölbe öffnete sich vor uns – die wenigen unverhüllten Glühbirnen beleuchteten sie nicht, sondern zeigten nur ihr dämmeriges Riesenausmaß. Sie war leer, tot, verlassen, hoch an der Decke tobten Luftzüge, der Regen, der zu fallen begann, als ich mich dem Sitz Corcorans genähert hatte, peitschte die Scheiben, die dunkel und schmutzig waren. Hier und da floß Wasser durch die Öffnungen in den eingeschlagenen Scheiben. Corcoran schien das nicht zu se hen, er ging vor mir über die blecherne Galerie, die unter den Schritten dröhnte; wieder eine stählerne, verschlossene Tür – dahinter ein Gang, an den Wänden entlang unordentlich, wie auf der Flucht hingeworfenes Werkzeug, mit einer dicken Staubschicht bedeckt. Der Gang machte eine Biegung, wir stiegen nach oben, nach unten, gingen an Transmissionsriemen vorbei, die wie vertrocknete Schlangen anmuteten. Die Wanderung, bei der ich die Geräumigkeit des Baus kennenlernte, dauerte an; ein- oder zweimal warnte mich Corcoran an völlig dunklen Stellen vor einer Stufe oder einem zu niedrigen Türbalken. Vor der letzten dieser stählernen, dicht mit Nieten beschlagenen Türen, die wohl gegen Brände schützen sollten, blieb er stehen. Als er sie öffnete, bemerkte ich, daß sie im Gegensatz zu den anderen überhaupt nicht quietschte, so als wären die Angeln frisch geölt worden. Wir betraten einen hohen Saal, der fast leer war – Corcoran blieb in der Mitte stehen, dort, wo der Beton des Fußbodens etwas heller war, als hätte irgendwann eine Maschine an der Stelle gestanden, von der nur die herausragenden Lagereisen übriggeblieben waren. Es sah hier wie in einem Käfig aus. Mir fiel die Frage nach den Geistern ein… An den Stäben waren Regale angebracht, sehr stabil, mit Stützen, darauf standen eiserne Kisten, etwa ein Dutzend; ihr wißt doch, wie die Schatztruhen aussehen, die in den Legenden von Piraten vergraben werden? Genauso sahen diese Kästen aus, mit gewölbten Deckeln. An jedem hing ein in Zellophan gefaßten weißes Kärtchen, ähnlich dem Krankenbild am Bett eines Patienten. Hoch oben an der Decke brannte eine verstaubte Glühbirne, aber es war zu dunkel, um auch nur ein Wort entziffern zu können. Die Kästen standen in zwei Reihen übereinander, der eine jedoch etwas höher, gesondert – ich weiß noch, daß ich sie gezählt habe. Es waren etwa zwölf oder vierzehn, genau kann ich es nicht sagen.
      »Tichy«, wandte sich der Professor an mich,

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