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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Glasbehälter – »gekommen ist, und Sie werden mir dann kein Haar mehr krümmen wollen. Aus eigenem, ungezwungenem Willen, versteht sich. Nun, gilt die Wette?«
      »Sie haben ihn getötet?« fragte ich noch.
      »In gewissem Sinne, ja. Jedenfalls habe ich ihn dort hineingesteckt. Glauben Sie, daß man in einer sechsundneunzigprozentigen Spirituslösung leben kann? Daß es da noch Hoffnung gibt?«
      Diese beherrschte, gleichsam vorgeplante Ruhmredigkeit, dieses selbstbewußte Höhnen angesichts der Leiche des Opfers gaben mir meine Ruhe wieder.
      »Die Wette gilt«, sagte ich kühl. »Reden Sie!«
      »Treiben Sie mich nur nicht an«, sagte er in einem Ton, als sei er ein Fürst, der mir gnädig Gehör schenkt. »Ich erzähle das, weil es mir Spaß macht, Tichy, weil es eine amüsante Geschichte ist, ich gebe sie zum besten, weil mir das Genugtuung bereitet, und nicht, weil Sie mir gedroht haben. Ich fürchte keine Drohungen, Tichy. Nun, lassen wir das. Haben Sie mal von Mallenegs gehört?«
      »Gewiß«, erwiderte ich. Ich war nun schon vollends ruhig. Schließlich habe auch ich etwas von einem Forscher, und ich weiß, wann es gilt, ruhig Blut zu bewahren. »Er hat ein paar Arbeiten über das Denaturieren von Eiweißteilchen veröffentlicht…«
      »Ausgezeichnet«, sagte er in ganz professoralem Ton und maß mich plötzlich mit neuem Interesse, als habe er endlich in mir ein Merkmal entdeckt, wofür mir wenigstens eine Spur von Hochachtung gebührte. »Außerdem hat er eine Methode der Synthese großer Eiweißmoleküle ausgearbeitet, künstlicher Eiweißlösungen, die gelebt haben, wohlgemerkt. Das waren so schleimige Gallerten… Er liebte sie. Er gab ihnen täglich zu essen, wenn ich mich so ausdrücken darf… Ja, er schüttete ihnen Zucker und Kohlenwasserstoffe in die Behälter, und sie, diese Gallerten, diese formlosen Uramöben, verschlangen alles, daß es eine Freude war, und wuchsen, zuerst in kleinen, gläsernen Petry-Schälchen… dann übertrug er sie in größere Gefäße, er gab sich viel mit ihnen ab, hatte das ganze Laboratorium voll davon. Die einen gingen ihm ein, begannen sich zu zersetzen, sicherlich taugte die Diät nichts, dann tobte er, rannte mit seinem Bart umher, den er dauernd und ohne es zu wollen in den geliebten Kleister tauchte… Aber weiter ging er nicht. Nun, er war zu dumm, dazu gehört etwas mehr. Hier…« Er tippte sich mit dem Finger an die Stirn; die Glatze schimmerte unter der tief herabgezogenen Lampe wie aus gelblichem Knochen gedrechselt. »Und dann ging ich ans Werk, Tichy. Ich will nicht viel reden, weil das Sachen für Fachleute sind, und die, die wirklich die Größe meines Werks verstehen würden, sind noch nicht geboren… Mit einem Wort, ich habe ein Eiweißmakromolekül geschaffen, das man auf einen bestimmten Entwicklungstyp einstellen kann, wie man einen Wecker einstellt… Nein, das ist kein richtiges Beispiel. Über eineiige Zwillinge wissen Sie, versteht sich, Bescheid?«
      »Ja«, erwiderte ich, »aber was hat das denn damit zu tun…?«
      »Sie werden es gleich verstehen. Ein befruchtetes Ei teilt sich in zwei identische Hälften, aus denen zwei vollkommen identische Individuen entstehen, zwei Neugeborene, zwei Spiegelzwillinge. Stellen Sie sich jetzt also vor, daß es eine Methode gibt, nach der man, wenn man einen erwachsenen, lebenden Menschen nimmt, gestützt auf eine genaue Untersuchung seines Organismus, eine zweite Hälfte des Eis, aus dem er einst geboren wurde, schaffen kann. Dadurch ist es möglich, gewissermaßen mit großer Verspätung, diesem Menschen einen Zwilling hinzuzuerzeugen… Verstehen Sie?«
      »Wieso?« sagte ich. »Selbst wenn das möglich wäre, erhalten Sie nur eine Hälfte des Eis – den Keim, der sofort abstirbt…«
      »Anderen mag das passieren, mir nicht«, erwiderte er mit kühlem Stolz. »Diese synthetisch geschaffene Eihälfte, die auf einen bestimmten Entwicklungstyp eingestellt ist, lege ich in eine Nährlösung, und dort, im Inkubator, gewissermaßen in einer mechanischen Gebärmutter, bewirke ich ihre Entwicklung zur Frucht – in einem Tempo, das hundertmal schneller ist als das normale Ent wicklungstempo. Nach drei Wochen verwandelt sich der Keim in ein Kind, unter dem Einfluß weiterer Eingriffe zählt das Kind nach einem Jahr zehn biologische Jahre; nach vier weiteren Jahren ist das schon ein vierzigjähriger Mensch – nun, das also habe ich gemacht, Tichy…«
      »Ein

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