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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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zu klopfen, du Halunke, sonst mach ich Kleinholz aus dir!«
      Der Rest war nun einfach. Ich verbrachte eine anstrengende Nacht, denn ich wertete die Papiere aus – es waren Berichte, Rapporte, Formulare, für jeden Einwohner des Planeten eine eigene Akte. Dann polsterte ich mir den Schreibtisch mit der geheimsten Korrespondenz und legte mich schlafen. Am frühen Morgen schaltete ich das Mikrophon ein und gab, als Kalkulator, den Befehl, die gesamte Bevölkerung auf dem Palastplatz zu versammeln. Jeder habe Zange und Schraubenzieher mitzubringen. Als sich alle wie gigantische Schachfiguren aufgestellt hatten, befahl ich, daß sie sich gegenseitig die Köpfe abschrauben sollten, zu Ehren der Enthauptung des heiligen Elektricius. Um elf kamen die ersten menschlichen Köpfe zum Vorschein, Tumult brach aus, es herrschte ein wildes Chaos. Schreie wie »Verrat! Verrat!« wurden laut, die sich wenige Minuten später, als der letzte eiserne Kugelkopf aufs Pflaster fiel, in einen einzigen Jubelschrei verwandelten. Dann zeigte ich mich in meiner eigenen Gestalt und empfahl, sie sollten unter meiner Leitung an die Arbeit gehen. Ich wollte nämlich aus den einheimischen Rohstoffen und Materialien ein großes Raumschiff bauen. Wie sich jedoch herausstellte, befanden sich in den Kellerräumen des Palastes mehrere einsatzbereite Raumschiffe mit vollen Treibstofftanks. Vor dem Start ließ ich Argusson aus dem Panzerschrank, ich nahm ihn jedoch nicht an Bord und gestattete auch keinem, ihn mitzunehmen. Ich versprach, seinem Chef ausführlich zu berichten und ihm, ebenso ausführlich, zu sagen, was ich von ihm halte.
      So endete eine meiner abenteuerlichsten, außergewöhnlichsten Reisen. Ungeachtet aller Mühen und Qualen war ich froh, daß die Sache eine solche Wendung genommen hatte, denn ich erlangte wieder meinen von den kosmischen Betrügern so stark strapazierten Glauben an die angeborene Lauterkeit der Elektronenhirne. Wie angenehm zu wissen, daß nur ein Mensch ein solcher Schurke sein kann.

    ZWÖLFTE REISE

    Wohl auf keiner meiner Reisen hatte ich so schreckliche Gefahren auszustehen wie bei meiner Expedition nach Amauropien, einem Planeten im Sternbild des Zyklopen. Was ich dort erlebte, verdanke ich Professor Tarantoga. Dieser hervorragende Astrozoologe ist ja nicht nur ein berühmter Forscher – bekanntlich ist er in seiner Freizeit obendrein Erfinder. Unter anderem hat er eine Flüssigkeit zur Ausmerzung unerfreulicher Erinnerungen erfunden, ferner die Banknoten mit der liegenden Acht, dem Symbol für unendlich hohe Geldbeträge, dann drei verschiedene Methoden der photogenen Färbung von Nebelschwaden sowie ein Spezialpulver, das auf die Wolken gestreut wird, um ihnen dauerhafte Formen zu verleihen. Sein Werk ist ferner die Apparatur zur Verwertung der ansonsten – da Kinder keinen Augenblick stillhalten können – vergeudeten kindlichen Energie.
      Besagte Vorrichtung besteht aus einem ganzen System von Kurbeln, Blöcken und Hebeln, die an verschiedenen Stellen der Wohnung angebracht sind. Sie werden von den Kindern, beim Spielen hin- und hergeschoben, gezogen und versetzt, so daß sie unbewußt Wasser pumpen, waschen, Kartoffeln schälen, Strom erzeugen und so weiter. Es ließ dem Professor keine Ruhe, daß unsere Kleinsten von ihren Eltern bisweilen allein gelassen werden, und so erfand er schließlich unentflammbare Streichhölzer, wie sie bereits massenhaft auf der Erde hergestellt werden.
      Eines Tages zeigte mir der Professor seine neueste Erfindung. Im ersten Moment glaubte ich, einen Kanonenofen zu sehen, und in der Tat gestand mir Tarantoga, daß ihm ein solcher als Ausgangsprodukt gedient habe.
      »Das, mein lieber Ijon, ist die Verwirklichung eines uralten Traumes der Menschheit«, erklärte er, »ein Zeitstrecker oder Zeit verlangsamer, wie man’s nimmt. Er gestattet, das Leben beliebig zu verlängern. Eine Minute währt dann etwa zwei Monate, wenn mich meine Berechnungen nicht trügen. Möchtest du den Apparat nicht ausprobieren?«
      Da ich nun einmal alle technischen Neuheiten mit gespanntem Interesse verfolge, nickte ich eifrig und quetschte mich in den Kanonenofen. Kaum hatte ich mich niedergekauert, da knallte der Professor die Tür zu. Durch die Erschütterung stiegen alte Rußteilchen auf, mir juckte die Nase, und als ich einatmete, mußte ich niesen. In ebendem Augenblick schaltete der Professor den Strom ein. Die Verlangsamung des Zeitablaufs hatte zur Folge, daß mein Niesen

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