Sterntagebücher
es nur noch etwa sechs Quintillionen Kilometer. Als ich diese letzte Etappe meiner Route zurückgelegt und den richtigen Planeten gefunden hatte (dort sind ihrer so viele wie Sand am Meer), ging ich nieder.
Beim Einschalten der Bremsen stellte ich zu meinem Entsetzen plötzlich fest, daß sie nicht funktionierten und ich wie ein Stein nach unten sauste. Als ich durch die Luke schaute, merkte ich, daß gar keine Bremsen mehr vorhanden waren. Voller Empörung dachte ich an die undankbaren Exiliaten zurück, aber mir blieb keine Zeit für Betrachtungen, ich durchraste nämlich schon die Atmosphäre, und meine Rakete glühte wie ein Rubin – einen Augenblick noch, und ich wäre bei lebendigem Leibe verkohlt.
Zum Glück fiel mir im letzten Moment der Zeitstrecker ein; ich schaltete einen Gang an, der die Zeit so langsam verstreichen ließ, daß mein Fall auf den Planeten ganze drei Wochen dauerte. Als ich so dem Unheil entronnen war, begann ich mich in meiner neuen Umgebung umzusehen.
Die Rakete hatte sich auf einer geräumigen Lichtung niedergelassen, die von einer bläulichen Waldmauer umringt war. Über den Bäumen, deren Äste Polypenarmen glichen, schwirrten und wirbelten mit großer Geschwindigkeit smaragdgrüne Gebilde. Bei meinem Anblick stob eine Herde Wesen, die eine erstaunliche Menschenähnlichkeit hatten, wenn man von ihrer schillernden Saphirhaut absah, zwischen die violetten Sträucher. Ich hatte schon von Tarantoga dieses und jenes über sie erfahren, nun zog ich den Kosmonautischen Ratgeber aus der Tasche und entnahm ihm weitere Informationen.
Der Planet war von einer Gattung menschenähnlicher Wesen bewohnt, die – laut Text – Mikrozephalen hießen und auf einer äußerst niedrigen Entwicklungsstufe standen. Meine Versuche, mich mit ihnen zu verständigen, blieben erfolglos. Das Nachschlagwerk sagte ganz offensichtlich die Wahrheit. Die Mikrozephalen krochen auf allen vieren, machten hin und wieder Männchen und lausten sich mit größter Geschicklichkeit. Wenn ich näher kam, glotzten sie mich aus Smaragdaugen an und belferten ohne Sinn und Verstand. Außer durch mangelnde Vernunft zeichneten sie sich durch einen sanften und gutmütigen Charakter aus.
Zwei Tage lang wanderte ich durch den blauen Wald und die Steppen ringsum, und als ich dann wieder bei der Rakete anlangte, legte ich mich ins Bett. Da kam mir der Beschleuniger in den Sinn. Ich beschloß, ihn für mehrere Stunden in Betrieb zu nehmen; am nächsten Morgen wollte ich dann nachsehen, ob er etwas zuwege gebracht hätte. Ich schleppte ihn also mit vieler Mühe aus der Rakete, stellte ihn unter den Bäumen auf und schaltete Zeitbeschleunigung ein. Dann ging ich wieder zu Bett und schlief den Schlaf des Gerechten.
Ein heftiges Rütteln weckte mich. Ich schlug die Augen auf und erblickte über mir mehrere Köpfe von Mikrozephalen, die, nunmehr auf zwei Beinen, über mich gebeugt standen und sich lärmend unterhielten, während sie mit großem Interesse meine Arme hin und her bewegten; als ich Widerstand zu leisten versuchte, hätten sie mir die Arme beinahe aus den Gelenken gerissen. Der größte unter ihnen, ein lilafarbener Hüne, öffnete mir gewaltsam den Mund, steckte seine Finger hinein und begann meine Zähne zu zählen. Vergebens suchte ich mich zu wehren – ich wurde auf die Lichtung getragen und am Heck der Rakete angebunden. In dieser Lage mußte ich zusehen, wie die Mekrozephalen alles mögliche aus der Rakete herausschleppten; sperrige Gegenstände, die sich nicht durch die Lukenöffnung zwängen ließen, schlugen sie zuvor kurz und klein. Mit einemmal brach ein Steinhagel über die Rakete und die geschäftigen Mikrozephalen herein; ich selbst wurde am Kopf getroffen. Gefesselt, vermochte ich nicht in die Richtung zu schauen, aus der die Geschosse herflogen. Ich hörte nur Kampflärm. Endlich ergriffen meine Bezwinger die Flucht. Andere Mikrozephalen liefen herbei, befreiten mich von den Fesseln und trugen mich auf den Schultern unter Beweisen hoher Wertschätzung in den Wald.
Die feierliche Prozession hielt am Fuße eines weitausladenden Baumes, von dessen Ästen ein Luftzelt mit Fensterchen an Lianen herunterhing. Man schob mich durch das kleine Fenster hinein, daraufhin fiel die unter dem Baum versammelte Menge auf die Knie und hob an zu psalmodieren. Ganze Reihen von Mikrozephalen brachten mir Blumen- und Früchteopfer dar. In den folgenden Tagen wurde ein Kult mit mir getrieben: Die
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