Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
zusammen, und die kleinen Kinder verschwanden irgendwo.
      Die Herrschaft des Generals Isegraus kehrte wieder, sodann die aufgeklärte Monarchie, das Direktorium, schließlich die Republik. Als ich mit eigenen Augen den Begräbniszug des Königs Karbagas zurückweichen sah, als derselbe dann nach drei Tagen vom Katafalk auferstand und entbalsamiert wurde, da blieb kein Zweifel mehr: Ich hatte den Apparat beschädigt, um die Zeit lief jetzt rückwärts. Das schlimmste war, daß ich an mir selbst Anzeichen der Verjüngung feststellte. Ich beschloß zu warten, bis Karbagas I. auferstanden und ich wieder der Große Maschinist geworden wäre, denn dann könnte ich meinen damaligen Einfluß geltend machen und zu der als Götze dienenden Rakete gelangen.
      Am unangenehmsten war das unheimliche Tempo der Verwandlungen; ich war nicht sicher, ob ich jenen Augenblick noch erleben würde. Täglich stellte ich mich im Hof an einen Baumstamm und ritzte in Höhe meines Kopfes einen Strich ein – ich wurde mit rasender Geschwindigkeit kleiner! Als ich, wieder unter Karbagas, »Betreuer der Maschine« war, sah ich höchstens wie ein Neunjähriger aus, und da wollte noch der Proviant für die Reise gesammelt sein. Ich trug ihn nachts in die Rakete, was mir schwere Mühe bereitete, da meine Kräfte zusehends schwanden. Zu meinem Entsetzen mußte ich feststellen, daß ich in Mußestunden ein unwiderstehliches Verlangen spürte, Zeck zu spielen.
      Als das Vehikel reisefertig war, kroch ich im Morgengrauen hinein und wollte den Starthebel packen – vergebens, er war zu hoch. Erst von einem Hocker aus konnte ich ihn verschieben. Ich wollte eine Verwünschung ausstoßen, bekam aber nur ein armseliges Piepsen heraus. Beim Start hatte ich noch auf meinen Füßen gestanden, jedoch der empfangene Impuls wirkte eine Zeitlang nach, denn als der Planet schon wie ein weißlicher Fleck in der Ferne schimmerte, vermochte ich gerade noch auf allen vieren die Milchflasche zu erreichen, die ich mir zubereitet hatte. Ganze sechs Monate war ich auf diese Art Kost angewiesen.
      Die Fahrt nach Amaropien dauert, wie ich eingangs erwähnte, etwa dreißig Jahre, so daß ich bei meiner Rückkehr zu den Freunden auf der Erde kein Aufsehen erregte. Ich bedaure nur, daß es mit meiner Phantasie nicht weit her ist, sonst brauchte ich Tarantoga nicht aus dem Wege zu gehen und könnte mir, ohne ihn zu verletzen, irgendein Märchen aus den Fingern saugen, das seinem Entdeckergeist schmeicheln würde.

    DREIZEHNTE REISE

    Mit widerstrebenden Gefühlen gehe ich an die Beschreibung dieser Expedition, die mir mehr gebracht hat, als ich je erwarten konnte. Als ich von der Erde aufbrach, hatte ich mir das Ziel gesteckt, einen unendlich fernen Planeten im Sternbild der Krabbe anzusteuern, den Hinterschein, der im Weltraum dadurch berühmt wurde, daß er eine der hervorragendsten Persönlichkeiten des Kosmos, den Meister Oh, hervorgebracht hat. Diese Koryphäe der Wissenschaft heißt in Wirklichkeit anders, aber ich nenne den Meister so, weil es nicht möglich ist, seinen Namen in einer der Sprachen unserer Erde wiederzugeben. Ein Kind, das auf dem Hinterschein geboren wird, erhält unzählige Titel und Auszeichnungen sowie einen Namen, der nach unseren Begriffen ungewöhnlich lang ist.
      Als Meister Oh auf die Welt kam, erhielt er den Namen Gridipidagititositipopokarturtegwauanatopocotuototam. Man ernannte ihn zur Güldenen Stütze des Seins, zum Doktor der Vollendeten Sanftmut, zur Lichten Possibilitativen Allseitigkeit und so weiter und so fort. In dem Maße, wie er heranwuchs und sich bildete, wurde ihm jeweils von Jahr zu Jahr ein Titel und ein Teil des Namens genommen, und da er außerordentliche Fähigkeiten bewies, hatte man ihm bereits im dreiunddreißigsten Lebensjahr die letzte Auszeichnung entzogen, zwei Jahre später besaß er überhaupt keinen Titel mehr, und seinen Namen bezeichnete im Hinterscheinalphabet nur ein einziger, obendrein stummer Buchstabe, welcher »himmlischer Hauch« bedeutet – so etwas wie einen unterdrückten Seufzer, den man vor übermäßiger Achtung und Wonne äußert.
      Nun wird der geschätzte Leser gewiß verstehen, weshalb ich die
    sen Weisen Meister Oh nenne. Dieser Mann, genannt der »Wohltäter des Kosmos«, widmete sein ganzes Leben der Beglückung ungezählter galaktischer Stämme und schuf in unermüdlichem Fleiß die Lehre von der Erfüllung aller Wünsche, die auch als Allgemeine Prothesentheorie bezeichnet

Weitere Kostenlose Bücher