Sterntagebücher
fünf Tage dauerte, und als Tarantoga den Apparat wieder aufmachte, sah er mich fast bewußtlos vor Erschöpfung. Er blickte zunächst verwundert und schien besorgt, aber als er erfuhr, was vorgefallen war, lächelte er gutmütig und meinte: »In Wirklichkeit sind nur vier Sekunden vergangen. Nun, Ijon, was sagst du zu dieser Erfindung?«
»Tja, wenn ich ehrlich sein soll, glaube ich noch nicht, daß sie vollkommen ist, obwohl sie Beachtung verdient«, antwortete ich, als es mir gelungen war, wieder Atem zu holen.
Der wackere Professor schaute mich leicht bekümmert an, doch dann schenkte er mir hochherzig den Apparat und wies noch einmal darauf hin, daß dieser ebensogut zum Verlangsamen wie zum Beschleunigen der Zeit zu gebrauchen sei. Da ich mich leicht erschöpft fühlte, lehnte ich vorläufig ab, es mit dieser zusätzlichen Möglichkeit zu versuchen, bedankte mich aber herzlich und brachte den Apparat nach Hause. Offen gestanden, ich wußte nicht recht, was ich damit anfangen sollte, und so stellte ich ihn auf den Dachboden meiner Raketengarage, wo er wohl ein halbes Jahr herumstand.
Als der Professor am achten Band seiner berühmten Astrozoologie schrieb, mußte er sich eingehend mit den Lebewesen auf Amauropien befassen. Da fiel ihm ein, daß sich diese Wesen ja ausgezeichnet dafür eignen würden, den Zeitstrecker (und zugleich Zeitbeschleuniger) zu erproben.
Kaum hatte ich mich mit seinem Plan vertraut gemacht, da war ich Feuer und Flamme, und drei Wochen später hatte ich meine Rakete bereits mit Proviant und Treibstoff vollgeladen, nahm die Karten dieser mir weniger bekannten Milchstraßengegend sowie den Apparat an Bord und startete ohne weitere Verzögerung. Das ist begreiflich, denn die Reise nach Amauropien dauert ungefähr dreißig Jahre. Wie ich mir unterwegs die Zeit vertrieb, werde ich vielleicht einmal an anderer Stelle berichten. Von den Dingen, die mir besonders auffielen, sei lediglich erwähnt, daß ich in der Umgebung des galaktischen Kerns (in Klammern möchte ich hinzufügen, daß es kaum einen Ort im Kosmos gibt, der staubiger wäre als dieser) einem Stamm interplanetarer Vagabunden begegnet bin.
Diese Unglücklichen – wir nennen sie Exiliaten – haben überhaupt keine Heimat. Vorsichtig ausgedrückt, sind es phantasievolle Geschöpfe, denn fast jeder wußte mir etwas anderes über die Geschichte seines Stammes zu berichten. Später hörte ich, sie hätten ihren Planeten einfach verschleudert, da sie aus schnöder Habgier Raubbergbau getrieben und verschiedene Mineralien exportiert hatten. In ihrem Förderwahn zerwühlten sie das Innere des Planeten so, daß es ganz verwüstet wurde; schließlich blieb nur eine riesige Höhle, die eines Tages unter ihren Füßen zusammenbrach. Manche behaupten auch, die Exiliaten hätten sich einfach auf einer ihrer Sauftouren verirrt und nicht mehr heimgefunden. Was wahr daran ist, läßt sich nicht mehr eindeutig klären, jedenfalls sieht niemand diese interstellaren Vagabunden gern; wenn sie auf ihrem Zug durchs Vakuum an einem Planeten vorbeigekommen sind, so zeigt sich bald, daß irgend etwas fehlt: Entweder ist ein wenig Luft verschwunden, oder ein Fluß ist plötzlich ausgetrocknet, oder man bekommt die Zahl der Inseln nicht mehr zusammen.
Auf Ardenurien haben sie, wie es heißt, sogar einen ganzen Kontinent stibitzt, zum Glück einen unbebauten, da er vereist war. Sie lassen sich gern zur Reinigung und Regulierung von Monden anheuern, doch vertraut ihnen kaum einer solch verantwortungsvolle Aufgaben an. Ihre Kinder werfen den Kometen Steine nach, reiten auf morschen Meteoren umher – mit einem Wort, man hat lauter Scherereien mit ihnen. Ich ließ mir die Sache durch den Kopf gehen und gelangte zu dem Schluß, daß solche Existenzbedingungen nicht befriedigen können; so unterbrach ich denn meine Reise und machte mich geschwind ans Werk, und zwar mit Erfolg, denn es gelang mir, einen noch recht ansehnlichen Mond aufzutreiben. Ein wenig aufgebessert, konnte er dank meiner guten Beziehungen zum Planeten avancieren.
Luft gab es dort allerdings nicht, allein ich organisierte eine Kollekte; die Bewohner aus der Nachbarschaft legten zusammen, und man hätte sehen müssen, mit welcher Freude die braven Exiliaten auf ihrem nunmehr eigenen Planeten Einzug hielten! Ihre Dankesbezeigungen wollten kein Ende nehmen. Nachdem ich mich herzlich von ihnen verabschiedet hatte, setzte ich meine Reise fort. Nach Amauropien waren
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