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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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I. G. Noranz, M. Tageule und Rosenbeißer selbst, der auf der Session zugegen war, denn seine ehrenwerten Kollegen hatten ihn schon aus Byzanz zurückgeholt. Da sie von vornherein das Ergebnis der Abstimmung kannten, die über meinen Direktorposten entscheiden sollte, hatten sie Julian Apostatas »Tod auf dem Schlachtfeld« (363) inszeniert, weil ihm soviel an der Anwesenheit bei diesem Schauspiel gelegen war. Bevor er sprach, bat ich in einer formalen Angelegenheit ums Wort, um zu fragen, seit wann denn byzantinische Kaiser das Recht besäßen, an den Beratungen des Instituts teilzunehmen, aber niemand geruhte mir darauf auch nur zu antworten.
      Rosenbeißer hatte sich besonders vorbereitet, er mußte bereits in Konstantinopel Material erhalten haben; niemand versuchte, diese grob eingefädelte Verschwörung auch nur vor mir zu verheimlichen. Rosenbeißer bezichtigte mich des Dilettantismus und der Vortäuschung von Kenntnissen auf dem Gebiet der Musik, die angesichts meines schlechten Gehörs zu erheblichen Entstellungen in der Entwicklung der theoretischen Physik geführt hätte. Das Ganze soll sich nach den Worten des Herrn Professors folgen dermaßen zugetragen haben: Nachdem unser Hyperputer durch Fernsondieren die Intelligenz aller Kinder um die Wende des 19. zum 20. Jahrhundert untersucht hatte, entdeckte er kleine Bürschchen, die trotz ihres jugendlichen Alters fähig waren, das Prinzip der Gleichwertigkeit von Materie und Energie zu formulieren, was entscheidend für die Freisetzung der Macht des Atoms ist. Das waren unter anderen Pierre Solitaire, T. Adnokamenjak, Stanislaw Rasglas, John Onestone, Trofim Odinzew-Bulyshnikow, Aristides Monolapides und Giovanni Unapietra – neben dem kleinen Albert Einstein. Ich wagte, den letzteren zu favorisieren, weil mir sein Geigenspiel so gefiel; nach Jahren kam es dadurch zum Bombenabwurf über Japan.
      Rosenbeißer verdrehte die Tatsachen so schamlos, daß mir die Luft wegblieb. Das Geigenspiel hatte damit nichts zu tun. Der Verleumder wälzte seine eigene Schuld auf mich ab. Der Hyperputer, der prognostisch den weiteren Verlauf der Ereignisse modellierte, sagte eine Atombombe in Mussolinis Italien für die Relativitätstheorie Unapietras und eine Serie noch schlimmerer Kataklysmen für die übrigen Bürschchen voraus. Ich hatte mich für Einstein entschieden, weil er ein artiges Kind war, und dafür, daß es später zu den Atombomben kam, können weder ich noch er die Verantwortung tragen. Ich handelte entgegen den Ratschlägen Rosenbeißers, der empfahl, die Erde »prophylaktisch« von Kindern im Vorschulalter zu entblößen, damit die Atomenergie im sicheren 21. Jahrhundert entdeckt werden konnte, und er präsentierte mir sogar einen Chronizisten, der bereit war, diese Aktion auf sich zu nehmen. Natürlich verbannte ich diesen gefährlichen Menschen namens H. Errod sogleich nach Kleinasien, wo er sich ungeheuerliche Taten zuschulden kommen ließ; übrigens figurierten sie in einem der Anklagepunkte. Und was hätte ich denn mit ihm tun sollen? In irgendeine Zeit mußte ich ihn ja verbannen. Aber ich hätte mich auf eine Polemik mit solcherart präparierten Verleumdungen gar nicht einlassen sollen.
      Als man durch Abstimmung über meine Entfernung aus dem Projekt entschieden hatte, befahl mir Rosenbeißer, unverzüglich in der Direktion zu erscheinen; ich fand ihn bereits in meinem Sessel sitzend vor – als den neuen Herrn Direktor. Was meint ihr, wen ich in seiner Umgebung erblickt habe? Aber natürlich: Goodlay, Gestirner, Astroianni, Starshite und die übrigen Pfuscher; Rosenbeißer hatte es bereits zuwege gebracht, sie aus all den Jahrhunderten, in denen sie saßen, zurückzuholen. Ihm selbst hatte der Aufenthalt in Byzanz sehr gut getan; während des Feldzuges gegen die Perser war er schlank geworden, sein Gesicht war sonnengebräunt, er hatte Münzen mitgebracht, auf denen sein eigenes Profil eingeprägt war, goldene Broschen, Siegelringe und eine Menge modischer Gegenstände, die er gerade seiner Clique zeigte, aber sogleich in der Schublade verschwinden ließ, als ich eintrat, und er blähte sich auf, thronte, redete durch die Zähne, ohne mich anzuschauen, jeder Zoll ein Kaiser. Das Triumphgefühl, das ihn erfüllte, mit Mühe unterdrückend, sagte er mir von oben herab, daß ich nach Hause zurückkehren könnte, wenn ich mich verpflichtete, gewisse Empfehlungen zu erfüllen. Ich sollte nämlich jenen Ijon Tichy, der die ganze Zeit über bei mir

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