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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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gewohnt hatte, dazu überreden, die Leitung des TEOPAGHIP zu übernehmen.
      Mich durchfuhr ein Gedankenblitz. Erst in diesem Augenblick wurde mir klar, weshalb man mich auserwählt hatte – ich sollte zu mir selbst den Boten spielen! Die Prognose des Hyperputers blieb ja in Kraft, also eignete sich niemand besser für die Stellung des Direktors der Geschichtsausbesserung. Sie handelten nicht aus Edelmut – davon hatten sie nicht für einen Sechser –, sondern aus reiner Berechnung. In der Tat, I. Tichy, der mich zu dieser Unternehmung überredet hatte, war ja in der Vergangenheit verblieben und bewohnte mein Haus. Ich begriff außerdem, daß sich der Zeitkreis erst dann schließen würde, wenn ich – nunmehr ich – in die Bibliothek stürzen und beim Bremsen des Chronozykels alle Bücher von den Regalen stoßen würde. Jenen Tichy würde ich in der Küche mit der Bratpfanne in der Hand vorfinden und ihn durch mein unerwartetes Erscheinen überraschen, denn jetzt trat ich in der Rolle eines Sendboten der Zukunft auf, während er, der Hausbewohner, derjenige sein würde, zu dem ich mit der Mission kam. Das scheinbar Paradoxe der Situation war eine Folge der unvermeidlichen Relativität der Zeiten, die die Beherrschung der chronomotionalen Technologie mit sich bringt. Die Niederträchtigkeit des Plans, den der Hyperputer ausgeheckt hatte, beruhte darauf, daß er einen doppelten Kreis in der Zeit geschaffen hatte: einen kleinen in einem großen. In dem kleinen Kreis hatte ich mich am Anfang mit meinem Doppelgänger gedreht, bis ich schließlich meine Zustimmung zu meiner Reise in die Zukunft gab. Aber dann blieb der große Kreis weiterhin offen; deshalb begriff ich damals nicht, woher er in diese zukünftige Epoche geraten war, aus der er, wie seinen Worten zu entnehmen war, ja kam.
      In dem kleinen Kreis war ich immer noch der frühere und er der spätere I. Tichy. Erst jetzt sollten sich die Rollen umkehren, denn die Zeiten hatten sich umgestellt: Ich kam jetzt zu ihm als ein Sendbote aus der Zukunft – er, gegenwärtig schon der frühere, sollte das Steuer des Projekts nun in seine Hände nehmen. Kurzum: Wir sollten endgültig unsere Orte in der Zeit austauschen. Ich begriff nur nicht, warum er mir das damals in der Küche nicht verraten hatte, aber auch das erkannte ich sehr bald, denn Rosenbeißer verlangte von mir mein Ehrenwort, tiefes Schweigen über alles zu bewahren, was im Projekt geschah.
      Wenn ich mich weigerte, das Geheimnis zu wahren, würde ich statt eines Chronozykels eine Pension erhalten und nirgendwohin verreisen. Was sollte ich also tun? Diese Betrüger wußten, daß ich mich nicht weigern würde. Ich hätte abgelehnt, wenn ein anderer Mensch für meinen Posten kandidiert hätte, aber wie konnte ich mir, als meinem Nachfolger, nicht vertrauen? Somit hatten sie in Gedanken an eine solche Möglichkeit ihren raffinierten Plan ausgeheckt!
      Ohne alle Ehrungen, ohne Pomp, ohne ein gutes Wort des Dankes, ohne jegliche Abschiedsfeierlichkeit, im tiefen Schweigen der einstigen Mitarbeiter, die mir von früh bis spät lauter Honig um den Bart geschmiert und sich in der Bewunderung meiner geistigen Horizonte geradezu überboten hatten, während sie mir jetzt den Rücken zukehrten – schritt ich zur Starthalle. Eine gemeine Bos heit veranlaßte die ehemaligen Untergebenen, mir das klapprigste Chronozykel zu geben, das sie auftreiben konnten. Ich wußte nun auch schon, warum ich bestimmt nicht imstande sein würde zu bremsen und weshalb ich daher alle Bücherregale umstoßen würde! Aber auch dieser letzte Affront focht mich nicht an. Obwohl das Chronozykel an den Jahrhundertwenden (das sind die sogenannten säkularen Durchbrüche) scheußlich hin und her schleuderte, weil die Dämpfer nicht funktionierten, verließ ich das 27. Jahrhundert ohne Zorn oder Bitterkeit, nur an das eine denkend, wie es wohl meinem Nachfolger bei der Telechronischen Optimalisierung der allgemeinen Geschichte ergehen würde.

EINUNDZWANZIGSTE REISE

    Als ich nach meiner Rückkehr aus dem 27. Jahrhundert I. Tichy zu Rosenbeißer schickte, damit er den durch mich frei gewordenen Posten im TEOPAGHIP einnahm, was er übrigens höchst unwillig tat, und obendrein erst nach einer Woche voller Jagd und Streit im kleinen Zeitkreis – als das also erledigt war, stand ich vor einem ernsten Dilemma.
      Alles was recht ist, aber das Ausbessern der Geschichte hatte ich nun gründlich satt. Dabei war es durchaus möglich, daß

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