Sterntaler: Thriller (German Edition)
loslachen, aber dann verschloss sich seine Miene wieder.
»Wir müssen reden«, sagte Fredrika leise. »Aber das können wir erst tun, wenn ich nach Hause komme.«
»Wann wird das sein?«
»Später. Ziemlich spät wahrscheinlich.«
Spencer zog sich die Jacke an, die er überm Arm gehabt hatte, und ging zur Tür. »Ich wollte dich niemals anlügen«, murmelte er.
Sie spürte, wie ihr erneut Tränen in die Augen stiegen. »Tu das nie wieder, Spencer.«
Er schüttelte bedächtig den Kopf. »Aber du hast auch gelogen.«
»Ich habe nicht gelogen, ich habe dir Informationen vorenthalten. Und das ist ein verdammter Unterschied.«
Da lächelte er traurig. »Kann sein«, sagte er.
Dann war er fort.
Fredrika schlang die Arme um ihren Körper. Sie war allein, wenn sie nicht bei ihm war, aber auch, wenn sie zu zweit waren.
Alex kam in ihr Zimmer. »Wer war das?«
Sie nahm an, dass er Spencer meinte. »Das war der Vater meiner Tochter.«
Alex sah so schockiert aus, dass sie in Lachen ausbrach. Mit dem Lachen kamen neue Tränen. »Entschuldige«, sagte sie rasch und wischte sich die Augen.
Alex legte eine Hand auf ihre Schulter. »Wenn du eine Pause machen und nach Hause fahren musst, dann tu das.«
Es war schon fast vier Uhr, da war keine Zeit, eine Pause zu machen. »Ich mache weiter, bis wir fertig sind«, sagte sie. »Wie läuft es mit Morgan Axberger?«
»Er war nicht im Büro. Seine Sekretärin sagt, er habe einen kurzfristig vereinbarten Termin außer Haus.«
»Glauben wir das?«
»Im Moment noch, aber nicht mehr lange. Wir haben deutlich gemacht, dass wir ihn in einer wichtigen Angelegenheit sprechen müssen, und trotzdem zieht er es vor, sich fernzuhalten. Valter Lund hingegen ist mit hierhergekommen.«
Fredrika griff sich Block und Stift. »Der hat einiges zu erklären.«
»In der Tat«, sagte Alex. »Aber noch muss er warten. Erst sprichst du mit dieser Malena Bremberg.«
»Malena Bremberg?« Fredrika versuchte, den Namen einzuordnen. War das nicht die Pflegerin, die so verschreckt gewirkt hatte, als sie ihr im Heim begegnet waren?
Peder ging auf dem Korridor vorbei. Er drehte um und kam zurück, steckte den Kopf in Fredrikas Zimmer. »Ich fahre los und suche weiter.« Nach dem Bruder, der bald einen ganzen Tag verschwunden war. Von dem niemand eine Spur hatte, der wie vom Erdboden verschluckt zu sein schien, ohne dass ein einziger Mensch gesehen hatte, wie es geschehen war.
Außer Thea Aldrin, die sich weigerte zu sprechen.
Das Unbehagen, das Fredrika während der Besprechung in der Löwengrube befallen hatte, kehrte wieder zurück. Es war irgendetwas, das Alex gesagt hatte… ein Gedanke, der so schnell vorbeigeflogen war, dass sie ihn nicht hatte greifen können.
Alex’ Telefon klingelte, und er nahm das Gespräch entgegen, während Peder die Hand zum Gruß erhob und wieder im Flur verschwand.
»Das war einer der Jungs aus Midsommarkransen. Sie haben die Arbeit eingestellt. Das Loch ist wieder aufgefüllt, und die Absperrungen werden eingesammelt.«
Das war es.
Derselbe Gedanke wieder.
Fredrika wurde eiskalt ums Herz.
»Hast du nicht gesagt, dass gestern Nacht jemand dort war und die Grube zugeschaufelt hat?«
»Irgendwelche Vollidioten«, murmelte Alex. »Die Leute haben einfach nichts Besseres zu tun.«
»Wir müssen sie wieder aufgraben.«
Alex sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren.
»Jimmy«, flüsterte sie. »Ich glaube, dass sie ihn gestern Nacht dort begraben haben.«
60
IM TRAUM SCHAUKELTE JIMMY IMMER höher und höher, dabei lachte er übers ganze Gesicht und rief Peder zu: »Siehst du mich? Siehst du, wie ich schaukele?«
Dann fiel er.
Oder flog.
Immer wachte Peder in der Sekunde auf, bevor Jimmy aufschlug. Es war, als würde seine Erinnerung ihn mit dem schmerzhaften und unvermeidlichen Schluss verschonen wollen. Peder hatte einmal mit ansehen müssen, wie der Kopf seines Bruders und sein Leben an einem Stein in Stücke geschlagen wurden, das genügte.
Peders Mutter rief an, als er in Richtung Pflegezentrum im Auto saß. »Du musst nach Hause fahren und dich ausruhen.« Ihre Stimme war rau vor Sorge.
Ich habe schon einen Sohn verloren, zwinge mich nicht noch einmal durch diese Hölle.
»Ich bin okay, Mama.«
»Wir machen uns Sorgen um dich, Peder. Kannst du nicht nach Hause kommen und wenigstens etwas essen?«
Wir. Das mussten seine Eltern und Ylva sein. Essen? Peder konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal etwas gegessen hatte. War das am
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