Sterntaler: Thriller (German Edition)
Abend zuvor gewesen, als Ylva und er auf dem Balkon gesessen hatten? Das schien ewig her zu sein.
»Wohin bist du unterwegs?«
»Zu Jimmy. Zum Pflegezentrum, meine ich.«
»Ruf bald an. Versprichst du mir das?«
»Klar.«
Kurz darauf stellte er das Auto auf dem Parkplatz ab, schlug die Wagentür zu und eilte mit schnellen Schritten in die Wohngemeinschaft, wo die anderen saßen und aßen. Eines der Mädchen, die dort arbeiteten, stand auf, als Peder reinkam.
»Ich kenne den Weg«, sagte er und ging weiter zu Jimmys Zimmer.
Dort machte er die Tür hinter sich zu und blieb mitten im Raum stehen. Suchte mit dem Blick nach einer Abweichung, nach einer Antwort auf die Frage, wohin Jimmy verschwunden sein könnte. Doch nichts fehlte, und nichts war kaputt. Nichts.
Er kann nicht einfach nur in den Abend hinausgegangen und verschwunden sein!
»Peder.«
Die Stimme der Betreuerin ließ ihn zusammenfahren. »Ja?« Er drehte sich um und sah die Betreuerin mit einem von Jimmys Kumpeln in der Tür stehen. Hatten sie angeklopft?
Er wusste es nicht.
»Michael möchte Ihnen etwas erzählen.«
Michael. Ein Junge, den Peder schon unzählige Male getroffen hatte. Groß und dunkelhaarig. Litt an einer undefinierbaren Entwicklungsstörung, die ihn ebenso wie Jimmy in ewiger Kindheit gefangen hielt. Ein Junge, der sowohl Jimmy vergötterte als auch fand, dass Peder der coolste Typ in ganz Schweden sei, weil er Polizist war.
»Dann mal los, Micke.«
»Eigentlich darf ich es nicht erzählen.«
Peder versuchte zu lächeln. »Klar darfst du es erzählen. Ich bin doch Polizist. Ich kann ein Geheimnis bewahren.«
»Jimmy hat gesagt, da war ein Mann und hat spioniert. Da drüben.« Er zeigte zu Thea Aldrins Zimmer auf der anderen Hofseite.
»War das euer Geheimnis?«
Michael nickte feierlich. »Ja. Hat er gesagt. Dass es geheim ist. Deshalb hab ich mich auch nicht getraut, das andere zu erzählen.«
»Welches andere?«
»Dass ich gestern gesehen hab, wie Jimmy aus seinem Zimmer gegangen ist. Ich hab von meinem Fenster aus gesehen, wie er zu der Alten rüber ist und vor ihrem Fenster stand. Und reingeschaut hat.« Michael schluckte.
Peder rang um Geduld. »Was ist dann passiert?«
Ein neues Zögern zeichnete sich auf Michaels Gesicht ab. »Da ist einer aus der Wohnung der Alten gekommen. Durch die Tür. Auf die Terrasse. Er hat mit Jimmy geredet, aber nur ganz kurz. Dann gingen sie weg.«
Peder blieb das Herz stehen. »Wohin, Micke? Wohin sind sie gegangen?«
»Weiß nicht. Sie sind zum Parkplatz und mit einem Auto weggefahren. Sie sind nicht zurückgekommen. Dabei habe ich die ganze Nacht gewartet. Ich dachte, er friert, denn er hatte keine Schuhe an.«
Es gab Geheimnisse, die waren einfach zu mächtig für einen Menschen. Geheimnisse, die in einen normalen Körper, ein normales Herz nicht hineinpassten, sondern ihren Tribut forderten.
Malena Bremberg sah aus, als würde sie ein solches Geheimnis mit sich herumschleppen. Sie wirkte bleich und matt, als Fredrika sie begrüßte. Lehnte einen Kaffee ab, sagte aber Ja zu einem Tee.
»Was wollten Sie mir erzählen?«
Die Zeit war knapp. Für alles. Und nichts.
Alex hatte die Bagger zu dem Gebiet in Midsommarkransen zurückbeordert, um die Grabung so weit wieder zu öffnen, dass die Hunde möglichen Leichengeruch würden aufnehmen können. »Ich hoffe inständig, dass du dich täuschst«, hatte er zu Fredrika gesagt.
Fredrika verspürte eine so starke Beklemmung, dass sie am liebsten geschrien hätte. Und in dem anderen Verhörraum wartete bereits Valter Lund– oder war es Johan Aldrin?– darauf, vernommen zu werden.
Malena Bremberg nahm einen Schluck Tee und rang um Worte für das, was sie erzählen wollte. »Ich weiß nicht, was das alles bedeutet«, sagte sie schließlich. »Aber ich glaube, ich weiß etwas, das auch Sie wissen sollten. Es geht um Rebecca Trolle.« Sie holte tief Luft und nahm noch einen Schluck.
Fredrika wartete. Wartete und hörte zu.
»Vor zwei Jahren hatte ich eine kurze Beziehung mit einem älteren Mann, den ich in einem Lokal kennengelernt habe. Morgan Axberger.«
Fredrika war erstaunt. »Aber Sie sind doch so viel jünger.«
Malena wurde rot. »Das war ja der Kick, dass er vierzig Jahre älter war. Ich weiß, dass er auf Bildern langweilig aussieht, aber er kann ungeheuer charmant sein.«
Dazu konnte Fredrika nichts sagen, sie war Morgan Axberger nie begegnet. »Was wollte er von Ihnen?«
Malena Bremberg wurde noch blasser, als sie es
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