Sterntaler: Thriller (German Edition)
muss.«
Sie verstummte. Bilder brachen sich in ihrem Kopf Bahn, Bilder von starken Armen, die mit einem Spaten in der Erde in Midsommarkransen gruben.
Er ist es nicht.
Ihr Bauchgefühl war eindeutig. Valter Lund war es nicht, den sie suchten. Trotzdem schien er ein wichtiger Stein in dem Spiel zu sein.
»Wir müssen Lund noch einmal befragen«, sagte Alex. »Es ist mir scheißegal, dass er erst vor ein paar Stunden hier war. Er soll noch mal kommen.«
»Und Axberger.« Peders Stimme kam aus dem Nichts. Niemand hatte gehört, wie er die Tür zum Besprechungsraum geöffnet hatte.
Fredrika musste schlucken, als sie ihren Kollegen in der Tür stehen sah. Die Augen schmal und müde, das Gesicht bleich. Seine Schultern hingen herab, und das Haar stand ihm zu Berge. Es schien völlig sinnlos, ihn zu bitten, nach Hause zu gehen, ehe sie Jimmy gefunden hatten.
»Selbstverständlich werden wir mit Morgan Axberger reden«, sagte Alex mit sanfter Stimme. »Komm rein, und setz dich.«
Peder zog einen Stuhl heran und ließ sich neben Fredrika nieder.
Dann betrat Ellen den Raum. »Ich weiß endlich, wer die Blumen an Thea Aldrin schickt oder zumindest, woher sie kommen.«
»Schieß los.«
»Es ist eine Frau namens Solveig Jacobsson. Als sie begriff, warum ich anrief, verweigerte sie mit einem Mal die Zusammenarbeit. Ich habe daraufhin das Finanzamt angerufen und erfahren, wer ihr Arbeitgeber ist. Sie ist beim Axberger-Konzern angestellt. Als Chefsekretärin von Valter Lund.«
58
ES WAR NUR NOCH EINE Frage der Zeit, bis alles vorbei sein würde, das wusste Thea Aldrin. Der Besuch der Polizisten war ein unmissverständlicher Hinweis darauf, dass der letzte Akt des Dramas begonnen hatte und die Schauspieler bald auf die Bühne treten würden, um ihren Applaus entgegenzunehmen.
Sie wusste nicht, was sie anders hätte tun können. Das Wichtigste war immer die Fürsorge für ihren Jungen gewesen, ihren Sohn. Das Kind, das sie unter dem Herzen getragen und in Einsamkeit geboren hatte. Der Junge, der zu einem Mann herangewachsen war und der das Vertrauen in seine Umgebung an dem Tag verloren hatte, da er auf den Dachboden ging, um eine Reisetasche zu holen, und dabei die Originalmanuskripte von Merkurius und Asteroid gefunden hatte.
Seit jenem Tag hallte sein Brüllen und sein Zorn in ihrem Kopf wider. »Du verdammte Psychopathin!«, hatte er geschrien. »Verdammt noch mal, es ist wahr, was sie sagen! Du bist wirklich krank im Kopf!«
Sie hatte gemeint, ihm einen Dienst zu erweisen, indem sie ihm nicht erzählte, wie die Dinge wirklich lagen. Sie hatte gemeint, dass seine Wut verrauchen würde. Doch das war nicht geschehen. Am nächsten Morgen war sein Bett leer gewesen, und er war nicht wieder zurückgekommen. Es erstaunte sie nicht, dass es ihm gelang, sich versteckt zu halten. Er war eine vielseitig begabte Person und außerdem ehrgeizig. Und er sah gut aus.
Deshalb machte sie sich auch nicht annähernd so große Sorgen, wie man es wahrscheinlich von ihr erwartete. Natürlich ging sie zur Polizei und meldete ihren Sohn als vermisst, reiste weite Wege, um ihn zu finden. Doch als die Tage und Wochen verstrichen und sie nicht zusammenbrach, konnte sie eine Veränderung in den Blicken der Polizisten erkennen. Warum trauerte diese Mutter nicht so, wie sie sollte? Warum strahlte sie die ganze Zeit über eine gewisse Sicherheit und Überzeugung aus?
Thea trat ans Fenster und sah zum Haus des entführten Jungen hinüber. Es schmerzte sie mehr, als sie sagen konnte, dass dieser junge Mann dazwischengeraten war. Man sah ihm doch an, wie es um ihn stand, dass er nicht auf vernünftige Weise würde wiedergeben können, was er gehört und gesehen hatte. Vor allem was er gehört hatte. Dass Thea sprach. In der Welt des Jungen war es sicherlich keine Sensation, eine ältere Dame reden zu hören, aber für jemanden, der wusste, dass sie seit 1981 geschwiegen hatte, wäre es mehr als bemerkenswert.
Die Gerüchte besagten, Thea hätte beschlossen, auf immer und ewig zu schweigen, doch das war falsch. Sie übte ihre Stimme jeden Tag, wenn sie sicher war, dass sie nicht belauscht wurde. Das Radio auf voller Lautstärke. Unter der Dusche.
Thea weinte, als sie an den Bruder des jungen Mannes dachte. Niemand hatte ihr gesagt, dass der Polizist, der sie zusammen mit einer Kollegin besucht hatte, der Bruder war, doch Thea hatte es sofort gesehen. Sie waren einander zum Verwechseln ähnlich, hatten dieselben Augen, dieselbe markante Nasen-
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