Sterntaler: Thriller (German Edition)
du Rebecca in deiner Gesellschaft jemals so entspannt gesehen? Ich glaube nicht. Und weißt du was? Das wird sie auch nie sein. Nie im Leben.«
28
EIGENTLICH HATTE ER BEREITS IN der Nacht abhauen wollen, aber die Dunkelheit machte ihm Angst, und er war viel zu erschöpft, um gehen zu können. Mit dem Album in den Armen schlief Håkan auf der Bettdecke ein und wachte erst um sieben Uhr auf, als er das Müllauto auf der Straße lärmen hörte.
Diese verdammten, elenden Nacktbilder! Wie er diese fette Kuh hasste, die sie ihm geschickt hatte! Nicht weil er die Fotos hatte sehen müssen, sondern weil sie sie gemacht hatte. Weil sie seine schöne Rebecca gekränkt hatte, während sie schlief.
Er vermied es, sich am Fenster sehen zu lassen, denn sicher bewachte die Polizei sein Haus. Während er frühstückte und sich anzog, ließ er den Fernseher laufen. Kinderprogramm ohne Sinn und Inhalt.
Er erinnerte sich, wie er einmal, als er klein war, mit seinem Vater allein zu Hause gewesen war. Sie hatten Eis gegessen und mehrere Stunden ferngesehen. Håkan hatte auf seines Vaters Schoß sitzen dürfen, und sie hatten Pizza bestellt. Als dann seine Mutter kam, hatte sie alles zunichtegemacht. Hatte seinen Vater verantwortungslos genannt und geschrien, er würde den Sohn verziehen. »Du machst mich lächerlich«, hatte sie gesagt.
Das stimmte nicht, dachte Håkan.
Das bekam seine Mutter schon ganz allein hin.
Die Stunden mit seinem Vater wurden seltener. Er blieb immer länger weg, ohne dass man ihn hätte erreichen können, und Håkan stand am Küchenfenster und hielt nach ihm Ausschau, solange es ging. Früher oder später tauchte er wieder auf, mit einer steilen Falte in der Stirn, aber froh darüber, seinen Sohn wiederzusehen.
Als Håkan älter wurde, begriff er, wie ernst die Lage war. Seine Mutter war dabei, seinen Vater zu vertreiben. Für Håkan gab es nichts Schlimmeres. Die Tage in der Schule kamen ihm unendlich lang vor. Immer wenn sie endlich vorbei waren, rannte Håkan den ganzen Weg nach Hause.
Und eines Tages war alles vorbei.
Er hing am Deckenhaken in der Diele. Mit seinen starken Händen hatte er die Lampe ihrer Pflicht, die Diele zu beleuchten, entledigt, ein Seil an dem Lampenhaken befestigt und sich daran erhängt. Håkan sah ihn in dem Moment, als er die Tür öffnete. In seinem ganzen Leben hatte er nie lauter geschrien.
Wenn er damals nicht Rebecca gehabt hätte. Als die Besinnung aus seinem Körper fuhr und er seine Mutter töten wollte.
Håkan steckte das Album zusammen mit den anderen Sachen, die er mitnehmen wollte, in eine Tasche und schloss sie bedächtig. Wenn er das Haus durch den Hinterausgang verließ, würde die Polizei ihn nicht sehen.
29
DIE DAME VON DER TELEFONZENTRALE der Universität Uppsala informierte Peder Rydh darüber, dass Professor Spencer Lagergren auf unbestimmte Zeit dienstfrei habe und nicht per Telefon zu erreichen sei. Die Handynummer des Professors sei in der Telefonliste nicht verzeichnet, aber möglicherweise lese er immer noch seine E-Mails.
Peder tippte ein paar Zeilen und schickte seine kurze Nachricht an die Mailadresse, die er bekommen hatte. Im nächsten Augenblick schon bekam er eine automatische Antwort, die ihn darüber aufklärte, dass Spencer Lagergren abwesend sei und dass Antworten auf sich warten lassen würden.
Bei der normalen Telefonauskunft hatte Peder mehr Erfolg. Er fand einen Spencer Lagergren, wohnhaft in Uppsala, und notierte die angegebene Handynummer. Kurze Zeit später hatte er ihn am Telefon.
Peder stellte sich selbst und sein Anliegen kurz vor. »Im Moment arbeite ich an den Ermittlungen um Rebecca Trolles Tod. Haben Sie einen Moment Zeit?«
Er hörte, wie der Mann zögerte. »Doch, ja. Worum geht es genau?«
»Um eine Konferenz, die im Frühjahr 2007 in Västerås stattfand. Ich würde mich gern persönlich mit Ihnen treffen. Sie sind nicht zufällig heute oder morgen in Stockholm?«
Schweigen am anderen Ende. »Ich bin gerade in Elternzeit. Eigentlich würde ich die Sache lieber übers Telefon klären.«
Elternzeit. Peder fiel es schwer, sein Erstaunen zu verbergen. Er hatte Spencer Lagergrens Alter nicht kontrolliert, fand aber, dass der Mann zu alt klang, um noch mit kleinen Kindern zu Hause zu sein. Auf der anderen Seite hatte Fredrika Bergman es auch geschafft, dass ihr Partner mit der Tochter zu Hause blieb, und war der nicht auch schon recht alt?
»Verstehe«, sagte Peder. »Dann befrage ich Sie jetzt schnell
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