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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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los? Sie wußte das selbst nicht so genau. Ab und zu nahm sie ja Mörder fest, die ihr sympathisch waren, während es Opfer gab, die sie für Scheißtypen hielt.
    Wann hatte Robin mit dem Weinen aufgehört, Tage später oder erst im Tod? In seinen toten Augen hatte die Gelassenheit eines alten Mannes gelegen, der es hinter sich hatte. Auf den Videos des Finanzbeamten war seine Mutter nicht zu sehen, da gab es keine Frau im Abendkleid, kein kaltes Monster im Raum; »Nein«, hatte Kissel gesagt, »bisher nicht. Warum ist dir das so wichtig? Das heißt doch nichts.«
    Als sie das Wasser abstellte, hörte Tom zu reden auf, und sie öffnete fast unverzüglich die Schiebetür, um zu gucken, wo er war. Auf dem Wannenrand hockte er und sah sie vorwurfsvoll an.
    »Warum regst du dich auf«, sagte sie, »du hattest doch eh Spätschicht.«
    »Ja, aber ich bin schon ’ne Stunde zu Hause, und du hast nichts von Bereitschaft gesagt. Wenn ich spät nach Hause komme, will ich, daß meine Frau da ist.«
    »Hey.« Sie warf ihm ihr Handtuch auf den Kopf. »Kriegen wir Allüren?«
    »Die Katze kennt dich auch nicht mehr.«
    »Jerry steht sowieso auf Männer, glaub ich. Soll’s bei Tieren ja auch geben.«
    »Schwule Katzen?«
    »Ja klar. Hab ich mal im Fernsehen gesehen, also da waren es Affen.« Sie hatte Lust, über schwule Viecher zu reden, doch fiel ihr nichts mehr dazu ein, weshalb sie sich auf ihre Parfüm-Sammlung konzentrierte, achtzehn kostbare Düfte, die so schön in Reih und Glied standen, daß auch das Auge etwas davon hatte. Als sie eine Hand über den Flakons kreisen ließ, sah sie im Spiegel seine zusammengekniffenen Augen.
    »Was nimmste denn jetzt noch Parfüm?« fragte er. »Gehst doch nirgendwo mehr hin.«
    »Das mach ich vielleicht für mich, weißt du? Oder auch für dich.« Sie entschied sich für White Linen, Sunnys Duft, den sie seit Jahren nicht mehr benutzt hatte, und verteilte ein paar Tropfen auf die Handgelenke und zwischen die Brüste. »Du hast manchmal überhaupt keinen Sinn für irgendwas.« Was hatte Nicole Mewes einmal gesagt, Nicole, die ihre Finger in die Leiche dieses Perversen drückte, um ihn hochzuheben und in das Loch zurückzutragen, aus dem er kam? »Ihr seid nicht kompatibel, aber süß.«
    Vielleicht, aber was machte das schon? Drehte sie die Anlage auf, um Pearl Jam in der angemessenen Lautstärke zu hören, sprang er hin und stellte leiser, führte sie ihm einen neuen Rock vor, fand er ihn zu kurz, zumindest für die Augen anderer Männer, und wenn sie ihn einmal soweit hatte, Geld in einem todschicken Restaurant zu verprassen, suchte er auf der Karte das Schnitzel. Aber er lebte doch halbwegs in Frieden, man konnte auch sagen, er war glücklich soweit. Hin und wieder schlechte Laune, schön, doch grübelte er weder über kleine Feldwege nach noch über gerade, graue Straßen, die doch bloß in die Rente führten und sonst nirgendwohin. Mit der Kammer, der von früher, hätte er nichts anfangen können, die wäre ihm zu spinnert gewesen, und er hätte sich an die Stirn getippt und gesagt: Die ist ja bekloppt. Vielleicht – man müßte mit ihr reden. Müßte sie fragen, wie ist es gelaufen, warum hast du alles falsch gemacht? Wolltest doch so viel.
    Sie drehte sich um und hielt ihm ihr Handgelenk entgegen. »Riech mal.«
    »Mmh«, sagte er bloß und sah auf den Boden.
    Mit einem Finger strich sie über seine Brust und weiter herunter bis zum obersten Knopf seiner Jeans.
    »Willst du noch was essen?« Jeans trug er ohne Gürtel, so daß sie auf die Hüfte rutschten, auch so eine Kleinigkeit, die ihr gefiel. Nur Spießer zurrten sie mit Gürteln fest und bügelten sie womöglich noch.
    »Ich hab ’ne Banane gegessen.«
    »Und das reicht jetzt bis zum nächsten Ersten?«
    »Du hättest anrufen können.« Er ging einen Schritt zurück; na schön, schmoll weiter. Dabei war es ja nicht so, als ob sie es im Bad noch nie getrieben hätten – einmal, oder? Ja, einmal nach dem Ende einer durchfeierten Nacht, halb kichernd und halb keuchend hier an der Wand. Wie viele Nächte machten sie denn durch? Konnte man an einer Hand abzählen, deshalb erinnerte sie sich auch so gut. Über seine Schulter hinweg hatte sie das erste Licht sehen können, das ihr wie ein zaghaftes Glimmen erschien, als fing die Sonne an zu üben und schlich sich aus dem dunklen Himmel heraus, um bei ihnen zu sein. »Glück«, hatte die Kammer gesagt, »besteht nur aus Momenten, aber ich will so viele wie möglich davon.«
    Ja,

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