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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
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Anfänger im Polizeidienst nie glauben, weil sie denken, die kämen zuletzt. Du kannst sie wegdrücken in der ersten Zeit, später dann nicht mehr. Wußtest du nicht, nein?
    Halb drei. Die andere schlief nie, nicht auf diesem Band, auf dem meistens Nacht war und das Leben nicht müde machte. Ina rieb sich die Stirn, als könnte sie damit alles aus ihrem Kopf verbannen, wenigstens das dumme Gefühl, etwas verloren zu haben – nicht direkt verloren, etwas versäumt vielleicht, das ihr verschlossen war und weit hinausging über ihre kleinen Party-Räusche. Sie sah die Orte, in denen die Kammer sich bewegte, doch wie in einem Vexierbild erschien dahinter etwas anderes, die dunklen und engen Küchen, in die sie als Polizistin kam, und die trostlos vollgestopften Zimmer, in denen Menschen berichteten, wie sie getötet hatten oder jemanden beweinten, der getötet worden war. Es waren immer dieselben erbärmlichen Geschichten, und es war immer dasselbe Geräusch, wenn einer mit den Fäusten auf die Tischplatte schlug. Kennst du nicht, ist nicht dein Job.
    Du hast das nicht getan, oder?
    Vielleicht lebst du ja gar nicht mehr. War auch eine Möglichkeit, die es zu bedenken galt – sie spulte das Band zurück, bis sie die Stelle fand, auf der die Kammer das Buch mit dem braunen Umschlag in Händen hielt. Las sie diese Gedichte auf der Bühne, sprach sie leiser als gewöhnlich, und ihre Stimme wurde so weich, als spende sie Trost.
    Denn gestorben bist du für immer,
      wie alle Toten dieser Erde,
    wie alle Toten – vergessen
      in einem Haufen verendeter Hunde.
    Nein.
    Nein, hör auf. Erzähl keinen Scheiß.
     
    Hör auf, mir durchs Hirn zu stromern mit deinen Allüren, du bist nicht Sunny, und ich bin keine fünfzehn mehr. Ermittlungstechnisch gesehen bist du eine Tatverdächtige, sonst nichts.
    »Also, hör zu.« Ina setzte sich auf Kissels Schreibtisch und baumelte mit den Beinen, wie die Kammer es auf dem Klavier getan hatte. Sie merkte es und sprang herunter. »Der Finanzbeamte hat sich in die Enge getrieben gefühlt wie eine Ratte.« Sie sah zu, wie Kissel drei Schokoriegel, zwei Äpfel und ein Päckchen Kaugummi auf den Schreibtisch legte. Er fragte nicht nach und sah sie nicht an, als wäre ein Teil von ihm noch zu Hause.
    »Also«, fuhr sie fort, »dieser Lippert –«
    » Doktor Lippert«, unterbrach er.
    Sie nickte. »Der Arsch gehörte diesem Folterzirkel an. Kemper auch und vielleicht dieser Thiele aus Lipperts PC. Geli gehörte zu den Opfern, und Robin. Ich vermute, Robin ist kurz vor seinem Tod erst an die Videos gekommen, wie, das muß noch geklärt werden. Kann vielleicht der Thiele Auskunft geben, wenn wir den erwischen. Wenn Robin wirklich noch ein zweites Band besessen hat, dann ist womöglich Lippert darauf zu sehen. Robin hat ihn erpreßt oder ihm sonstwie gedroht. Lippert tötet ihn.«
    »Und weil so ein Finanzbeamter ein ordentlicher Mensch ist«, sagte Kissel, »legt er den Buben gleich auf dem Friedhof ab. Fehlte eigentlich nur noch ein Ausgangsstempel auf der Leiche.«
    »Witzbold.«
    Kissel wandte sich ihr ruckartig zu. »Ich dachte, Robin erpreßt seine Mutter. Ich dachte, wir hätten die Kammer eindeutig als Mitglied dieses Zirkels identifiziert. Eindeutiger als jeden anderen.«
    »Ja sicher, aber es geht jetzt um den Mord. Ich meine, warum sollte Lippert, wenn er Robin nicht getötet hat, wegen einer Vorladung in Panik geraten? Er kannte ja den Grund der Vorladung nicht, ich meine, wegen Gewaltdelikten an Prostituierten hat der sich schon mal rausgeredet. Außerdem sind die Videos ein paar Jahre alt, aber der Mord an Robin war jetzt. Und jetzt kommt die Vorladung. Bitte, das paßt.«
    »Warum meldet sich Robins Mutter nicht?«
    Ina legte die Fingerspitzen aneinander. »Das kriegen wir schon noch raus.«
    »Ach Süße.« Er betrachtete die Äpfel auf dem Schreibtisch wie ein Maler sein fertiges Bild. »Wir haben ein kleines Problem. Herr Dr. Lippert hatte am Tag der Tat eine fünfstündige Besprechung im Finanzamt, die nahtlos in ein geselliges Beisammensein überging. Bis auf die Besprechung scheint es also ein normaler Arbeitstag gewesen zu sein. Er verbrachte den ganzen Nachmittag, den Abend und die halbe Nacht, auf jeden Fall die Tatzeit vor einer Handvoll Zeugen. Was heißt Zeugen – Beamte! Lückenloser geht es nicht. Er kann Robin nicht getötet haben.«
    »Sag das doch gleich«, fuhr sie ihn an. »Läßt mich hier reden.«
    »Ich kann dich nicht stoppen, wenn du redest. Das kann

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