Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Paprotta
Vom Netzwerk:
Tollste steht hier nicht, der Sterntaucher holt die Sterne nicht nur von oben, der findet sie nämlich überall, am Himmel und auf der Erde und im Wasser. Darum heißt er so, Sterntaucher.« Sie nahm das Buch vom Boden, und als sie sich wieder aufrichtete, guckte sie genau in die Kamera. Einen Moment lang sah sie völlig überrascht aus; »Hey«, rief sie, »Blödmann, Spion!«
    Sterntaucher. Ina massierte sich die Schläfen. Wieder fielen ihr Dorians Worte ein: Sie ist immer unterwegs, den Sternen hinterher und dem Glück.
    Welchem Glück denn, welchen Sternen? Was für ein kitschiger Kram. Der Sterntaucher taucht nach den Sternen, ja klar, und die Blaumeise ist besoffen.
     
    »Erkenntnisse?« fragte eine Stimme hinter ihr. Stocker stand in der Tür und lächelte sie an.
    »Können Sie nicht klopfen?«
    »Im Konferenzraum? Sie sind verrückt.« Mit einer Akte in der Hand kam er näher. »Ja, das ist sie. So sah die damals aus.«
    »Ich denke, Sie waren bekifft bei dem Konzert.«
    »Ich nicht, meine Frau.« Er starrte auf den Bildschirm, wo die Kammer sich mit dem Mann unterhielt, der das Video drehte. »Mach mal Kaffee«, sagte sie gerade, »und für das Zwergelchen Saft.« Sie fuchtelte lachend mit den Armen, »hör jetzt auf, laß das.«
    »Sie hat’s mit Vögeln«, sagte Ina.
    Stocker seufzte. »So, aha.«
    »Ja, kennt sich da ziemlich aus, quasselt die ganze Zeit davon.«
    »Mit den Kindern?«
    »Trottellumme.« Sie gähnte. »Zwergschnepfe, Sterntaucher, was es alles gibt.«
    »Sie meinen Vögel. «Er schüttelte den Kopf. »Wer hat das gefilmt, der Kindsvater kann’s ja nicht sein, der ist doch vor Geburt des Kleinen gestorben, nicht?«
    »Sagt der Tillmann, und Dorian sagt es auch.«
    »Vielleicht dieser Kamerad hier.« Stocker schlug die Akte auf. »Kemper, Steffen, für den interessieren Sie sich doch. Da gab es einen Anfangsverdacht wegen Hehlerei und Kreditbetrug vor runden fünfzehn Jahren. U-Haft, ist dann im Sande verlaufen, hatte auch einen guten Anwalt. Derzeitiger Aufenthaltsort ungewiß.«
    »Keine Anwältin?« fragte sie.
    »Anwalt, männlich.«
    »Tillmann hat uns mehrmals seine Anwältin unter die Nase gerieben, mit der muß ich auch noch.« Ina stand auf und trat ans Fenster. Wind kam auf, der Himmel bezog sich immer mehr, und in dem dunkler werdenden Raum schien Katja Kammers helle Haut zu leuchten.
    »Was ist mit Tillmanns Alibi?« fragte Stocker.
    »Ist erst mal nicht dran zu rütteln.« Sie lehnte sich gegen das Fensterbrett. Tillmann hatte tatsächlich einen Notarzt gerufen, etwa zu der Zeit, als Robin Kammer starb. Was kann man denn mit einem Hexenschuß machen, hatte Ina wissen wollen, worauf der Notarzt sagte: »Krabbeln.« Wie schnell wirkt die Spritze? Nicht schnell genug, war seine Antwort gewesen, um in den nächsten Stunden Unternehmungen irgendwelcher Art zu starten. Kann man einen Hexenschuß simulieren? Der Arzt hatte gezögert, simulieren könne man schon ziemlich viel. Tillmanns sogenannter Hexenschuß, ein Ausdruck, den es medizinisch gar nicht gab, war jedoch in Wirklichkeit eine Art Bandscheibenvorfall, einhergehend mit einer kaum zu simulierenden vorübergehenden Bewegungsunfähigkeit der unteren Extremitäten – - der was?
    Der Beine. Der Arzt hatte geseufzt; der Mann konnte nicht laufen.
    »Kissel überprüft auch Tillmanns Frau.« Ina sah wieder zum Bildschirm, wo Katja Kammer jetzt allein zu sehen war, in einem halbdunklen Raum wie diesem. Sie saß am Klavier, spielte und sang vor sich hin, und ihre Stimme klang nach Tränen und Rauch.
    »Ich dachte –« Ina räusperte sich. Die Kammer war nur in Umrissen zu sehen, das schwarze Haar fiel ihr ins Gesicht. »Ich dachte, die hat ’ne Klampfe. So ’ne grauenhafte akustische Gitarre, wissen Sie? Ich meine, E-Gitarren sind ja geil, aber diese Folkloredinger –«
    »Nein«, sagte Stocker, »da haben Sie falsch gedacht. Die spielte Klavier. Und im übrigen wüßte ich nicht, was an einer elektrischen Gitarre, ehm, geil sein sollte.«
    »Na Sie nicht, nein.« Sie sah noch immer hin. Was spielte die da, ein bißchen Jazz, ein bißchen Rock, ein kleines Durcheinander? Wie ein Instrument setzte sie ihre Stimme ein, sang keine richtigen Worte, und dennoch hörte es sich jetzt so an, als singe sie vom Rausch und von der Lust. Ina schüttelte den Kopf, weil es wie eine vage Erinnerung war, sie zu sehen. Aber sie kannte sie doch nicht. Ein Trugbild? Nein, eher ein Tasten im Dunkeln, ein Spaziergang im Nebel, wenn man einem

Weitere Kostenlose Bücher