Stets Zu Diensten, Mylady
dachte Will. Laut erwiderte er mit einer erneuten Verbeugung: “Wir alle sind sündige Menschen, Madam, und darin unterscheide ich mich keineswegs von meinen Artgenossen.”
Rebecca beobachtete mit Erleichterung und aufrichtiger Anerkennung die geschickte Art, in der Will Shafto mit ihrer Tante fertig wurde.
Die alte Dame wandte sich jetzt ihrer Nichte zu und verkündete ihr abschließendes Urteil: “Du hast recht, mein Kind. Er ist nicht auf den Kopf gefallen. Ob nur zu seinem eigenen, oder auch zu deinem Vorteil, das wird sich zeigen.”
Das konnte Will nicht unkommentiert stehen lassen. “In einer Woche”, sagte er ruhig, “werden wir getraut, das heißt, wir werden eins vor Kirche und Staat. Von da an kann es keinen Unterschied mehr zwischen meinem Vorteil und dem meiner Gemahlin geben, nicht wahr?”
Tante Petronella belohnte seine Ausführung mit einem röhrenden Gelächter. Sie erhob sich sogar aus ihrem Sessel und streckte ihm die Hand entgegen. “Das soll ein Wort sein, junger Mann. Und seien Sie gewarnt. Sollte ich je den Eindruck gewinnen, meine Nichte werde von Ihnen ausgebeutet, dann lernen Sie meine unangenehme Seite kennen. Das ist noch niemandem gut bekommen.”
Will glaubte ihr aufs Wort. Nachdem die alte Dame wieder Platz genommen hatte, setzte auch er sich. Im Laufe der folgenden Unterhaltung erzählte Mrs Petronella Melville, Cousin Allenby habe ihr einen aufgebrachten Brief in den Norden geschickt und sie genauestens über Rebeccas ungeheuerliches Verhalten in Kenntnis gesetzt.
Auf der Stelle war die alte Dame von ihrem Landsitz aufgebrochen und nach Honyngham House gereist, ihrem eleganten Haus an der Themse bei Richmond. Sie war fest entschlossen gewesen, ihre Nichte zur Vernunft zu bringen.
Doch statt ihr die Hochzeit mit diesem hergelaufenen Habenichts auszureden, saß sie nun hier mit dem Brautpaar und amüsierte sich königlich.
“Wohin soll denn die Hochzeitsreise gehen?” erkundigte sie sich plötzlich.
Rebecca und Will schauten sich verdutzt an. Darüber hatten sie noch nicht nachgedacht.
“Wir fahren nicht fort, Tante. Wir bleiben hier in London”, erklärte Rebecca dann geistesgegenwärtig.
“Unfug!”, rief Mrs Melville und klopfte mit ihrem Stock auf den Fußboden. “Ihr wollt doch eure Ruhe haben. Neugierige Blicke könnt ihr nicht gebrauchen.” Tante Petronella duldete keine Widerrede. Resolut fuhr sie fort: “Ich hab’s! Die ersten zwei Wochen nach eurer Hochzeit wohne ich hier, und ihr beide habt Honyngham ganz für euch allein! Genau, was ein jung verheiratetes Paar sich wünscht!”
Zwei Wochen lang allein miteinander, obendrein auf dem Lande, sodass es keine Gelegenheit geben würde, zwischendurch in andere Gesellschaft auszuweichen, war das Letzte, was Rebecca und Will sich wünschten. Doch Tante Petronella ließ keinen Einwand gelten. Sie hatte sich in den Kopf gesetzt, die beiden mit einem Aufenthalt in Honyngham zu beglücken, also hatten sie glücklich zu sein.
Die alte Dame verstand das verlegene Schweigen des Paares als Zustimmung.
“Das wäre also geregelt. Und nun zu den Einzelheiten der Hochzeitsfeier. Wie ich höre, soll sie hier im Haus stattfinden?”
Im Stillen bedachte Rebecca ihren geschwätzigen Cousin Allenby mit wenig freundlichen Bezeichnungen, dass er Tante Petronella so genau informiert hatte. Da man die Unterstützung der alten Dame aber auf keinen Fall gefährden durfte, folglich der Eindruck einer Liebesheirat um jeden Preis aufrechtzuerhalten war, machten die Brautleute gute Miene zu allem. Wie sie es allerdings aushalten sollten, zwei Wochen lang Stunde um Stunde, Tag für Tag einander ununterbrochen ausgesetzt zu sein, das konnte sich weder Will noch Rebecca vorstellen.
6. KAPITEL
“Verstehe ich dich richtig, dass du diese unglaubliche Heirat gutheißt?”, fragte John Allenby aufgebracht. “Dann willst du wohl auch zu der Hochzeit gehen und der ganzen Sache den Anschein der Respektabilität geben?”
“Natürlich gehe ich hin”, antwortete Mrs Petronella Melville resolut und klopfte dabei mit ihrem Stock auf den Fußboden. “Und dass wir uns ganz richtig verstehen: Rebecca bekommt eine anständige Hochzeit. Dafür sorge ich. Der Bischof von Bath und Wells vollzieht die Trauung, und Cousin John Ffolliot wird anwesend sein. Sonst noch Fragen?”
Mr Allenby knirschte heimlich mit den Zähnen. John Ffolliot war der Duke of Durness, ein Mann von so hohem Rang, dass er es eigentlich nicht nötig hatte, an
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