Stets zu Diensten
Hoffentlich mag sie Bill Bailey.«
»Mag sie wen?«
»Ach, das habe ich dir noch gar nicht gesagt? Bill wird mich nach Blandings begleiten.«
»Was?«
»Ja. Emsworth hat ihn liebenswürdigerweise auch eingeladen. Wir fahren morgen um 11.45 unter Absingen einer Hymne.«
Schrecken trat in Pongos Augen. Er erschrak heftig und stürzte mit einem Satz seinen Martini einschließlich der Zitronenschale hinunter. Obgleich er seinen Onkel gerne mochte, hatte er dessen Umgang mit den jungen Männern Englands noch nie für besonders günstig gehalten oder gar gefördert.
»Um Gottes Willen!«
»Erschreckt dich etwas?«
»Du kannst doch nicht … wie soll ich sagen … den armen Bill dieser entsetzlichen Qual aussetzen!«
Lord Ickenham zog die Augenbrauen hoch.
»Also wirklich, Pongo, wenn du es als Qual bezeichnest, wenn ein junger Mann mit dem Mädchen, das er liebt, unter einem Dach wohnt, dann scheinst du weniger Gefühl zu haben, als ich angenommen hatte.«
»Das ist ja alles schön und gut. Sein Kätzchen wird da sein, richtig. Aber was nützt ihm das, wenn zwei Minuten nach seiner Ankunft Lady Constance ihn am Hosenboden packt und hinauswirft?«
»Dieser Fall wird nicht eintreten. Du scheinst eine merkwürdige Vorstellung von den Dingen zu haben, die auf Blandings Castle passieren, mein Lieber. Du siehst in diesem kultivierten Heim anscheinend eine Spielhölle, in der ständig Leute durch Schwingtüren geschleudert werden und in einer Nebenstraße liegen bleiben. Etwas derartiges wird bestimmt nicht geschehen. Wir werden eine einzige, große Familie sein. Überall wird Ruhe und Friede herrschen. Zu schade, daß du nicht mitkommst.«
»Ich fühle mich hier sehr wohl, vielen Dank«, sagte Pongo und schüttelte sich etwas, als er an einige der Höhepunkte bei seinem letzten Besuch im Schloß dachte. »Aber ich behaupte immer noch, daß, sobald Lady Constance den Namen Bailey hört …«
»Das wird sie aber nicht. Du glaubst doch nicht etwa, daß ein kluger Mann wie ich einen derartigen Punkt übersehen konnte. Er nennt sich Cuthbert Meriwether. Ich habe ihm gesagt, er soll sich diesen Namen aufschreiben und einprägen.«
»Sie wird den Schwindel entdecken.«
»Ausgeschlossen. Wer soll ihr denn davon erzählen?«
Pongo gab den Kampf auf. Er wußte, wie fruchtlos solche Streitigkeiten waren. Jetzt hatte er erst die lustige Seite dieser Situation kennengelernt – und morgen abend würden ihn mehr als hundert Meilen von seinem liebenswerten, aber nervenaufreibenden Verwandten trennen. Dieser Gedanke war sehr angenehm. Er nahm mit Gewißheit an, daß noch vor dem dritten Sonnenaufgang dieser alte Teufel Taten begangen haben würde, die die menschliche Zivilisation ins Wanken bringen und die Sonne in einen Eisberg verwandeln würde. Aber das einzig Wichtige daran, war, daß dies alles auf Lord Emsworths Landsitz und nicht in London geschehen würde. Wie Recht hatte doch der Verfasser dieser bekannten Hymne, in der er sagte, daß wahrer und vollkommener Friede nur dann erreicht werden kann, wenn die, die wir lieben, weit weg sind.
»Gehen wir essen«, sagte er.
3
Einer der Gründe, warum Lord Emsworth einen so angenehmen Reisegefährten darstellte, war der, daß er schon kurze Zeit nach Antritt der Reise in erholsamen Schlummer fiel. Der Zug, der ihn und seine Gäste nach Market Blandings bringen sollte, hatte pünktlich um 11.45 den Bahnhof Paddington verlassen, wie es von den Eisenbahnbehörden versprochen war. Um 12.10 lag er bereits mit geschlossenen Augen tief in seinen Sessel zurückgelehnt und gab kurze Pfeiftöne von sich, die von gelegentlichen Schnarchgeräuschen unterbrochen wurden. Lord Ickenham konnte daher in aller Ruhe mit dem jungen Mann, der in ihrer Mitte weilte, reden, ohne dabei Gefahr zu laufen, bei seinem Komplott gehört und entdeckt zu werden.
»Nervös, Bill?« sagte er und blickte Reverend Cuthbert mitfühlend an. Er hatte geglaubt, zu Beginn der Reise an seinem Gefährten ein krampfartiges Zucken eines galvanisierten Frosches entdeckt zu haben und hatte gesehen, daß seine Augen sich etwas verschleierten.
Bill Bailey atmete tief.
»Ich habe dasselbe Gefühl, das mich erfaßte, als ich zum ersten Mal die Kanzeltreppe hinaufstolperte, um eine Predigt zu halten.«
»Das kann ich verstehen. Es gibt wirklich keine größere und wichtigere Erfahrung für einen ins Leben tretenden, jungen Mann, als unter einem falschen Namen seine Füße in ein fremdes Haus zu setzen, wobei diese
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