Steuerflucht - Das Milliardengeschaeft mit dem Schwarzgeld Ein Insider packt aus
Jungholz zog es vor allem Handwerksmeister, Kleinunternehmer und Freiberufler aus dem Raum Stuttgart, Ulm, Memmingen und Kempten. Sie lieferten dort in regelmäßigen Abständen ihre mit Schwarzgeld prall gefüllten Geldbeutel ab. Urlauber hingegen aus dem Rheinland, Norddeutschland und Berlin nutzen ihren Aufenthalt in der Region Oberstdorf, um einen Abstecher zu den Geldhäusern im Kleinwalsertal zu machen. Zur Hochzeit waren in den beiden Zollexklaven bis zu zehn Milliarden Euro geparkt, davon schätzungsweise 90 Prozent Schwarzgeld. Österreich war als Steueroase für Schwarzgeld und Geldwäsche bis Ende 2010 ein attraktives Ziel. Rund 100 Milliarden Euro sollen allein deutsche Anleger beigetragen haben.
Die waren mit ihrem Schwarzgeld in der Alpenrepublik zwar sicher. Vor eigenen Fehlern schützte sie das aber nicht.
FEHLER MIT FOLGEN
So wie ein älteres Arzt-Ehepaar aus Kempten. Gemeinsam hatte es Mitte der 1990erJahre eine Erbschaft von 350.000 D-Mark schwarz in Jungholz angelegt. Durch gute Anlage, bei der die steuerlichen Spekulationsfristen immer berücksichtigt worden waren, und geringe Entnahmen waren daraus bis 2008 rund 400.000 Euro geworden. Da die Tochter bauen wollte, nahmen die Eltern die ahnungslose Tochter mit zur Bank, ließen ihr 100.000 Euro Baukostenzuschuss schenkungsweise bar auszahlen und gaben ihr Kontovollmacht als Mit-Kontoinhaberin. Damit sollte die Tochter auch dann über das Konto verfügen können, wenn die Eltern gesundheitlich dazu nicht mehr in der Lage wären.
Doch damit nahm die Katastrophe ihren Lauf. Durch den Status „Kontoinhaberin“ – im Unterschied zur deutschen „Zeichnungsbefugten“ – war rechtlich eine zusätzliche Übertragung von jedem Elternteil in Höhe von jeweils 50.000 Euro erfolgt. Die erhaltenen 100.000 Euro waren damit schenkungsteuerpflichtig, wenn auch aktuell innerhalb der schenkungsteuerlichen Freibeträge. Der Transport der 100.000 Euro in bar nach Deutschland war eigentlich anmeldepflichtig, was durch den fehlenden Grenzübergang aber nur bei einer Kontrolle der Schleierfahndung zum Tragen gekommen wäre. Die Einzahlung auf das deutsche Konto der Tochter war durch die Bank im Rahmen des Geldwäschegesetzes zu überprüfen und erfolgte auch. Und: Nachdem die Kontoinhaberschaft erteilt worden war, erzielte die Tochter zudem Einnahmen aus einer Auslandsanlage, die sie in ihrer Einkommensteuererklärung deklarieren musste. Da Auslandszinsen, auch zu Zeiten der Abgeltungsteuer, in der Einkommensteuererklärung aufzuführen sind, ließ die Frage vom Finanzamt nach der Herkunft des Geldes nicht lange auf sich warten.
Neun Wochen später erhielt das Arzt-Ehepaar wegen der Bankeinzahlung der Tochter unangemeldeten Besuch der Steuerfahndung, die klären will, woher das Geld stammt. Konsequenz: nachzuzahlende Steuer für Zinserträge 1999 bis 2008 bei einem Grenzsteuersatz von 25 Prozent in Höhe von 10.000 Euro, nachzuentrichtende Hinterziehungszinsen für 1999 bis 2008 rund 3.300 Euro und eine Geldbuße von 15.000 Euro. Hätte das Arzt-Ehepaar sich wegen der Übertragung des Geldes auf die Tochter selbst erklärt, hätten die Zinserträge für 1999 bis 2008 bei einem Grenzsteuersatz von 25 Prozent 10.000 Euro und die Hinterziehungszinsen 3.300 Euro betragen. Aufgrund der Richtigstellung wäre das Ehepaar straffrei geblieben.
Heute wollen die österreichischen Banken von Schwarzgeld aus dem Ausland nichts mehr wissen. Um Schwarzgeldbesitzer abzuwehren, wurden die Einstiegshöhen für Neukunden in den Banken der Zollexklaven auf 250.000 bis 300.000 Euro heraufgesetzt. Ihren Altkunden mit Schwarzgeldkonten empfehlen die Geldhäuser, sich selbst anzuzeigen oder sich anderweitig nach einer Bankverbindung im Ausland umzusehen. Von Vorteil ist dabei, dass Kunden hier – anders als bei vielen Schweizer Banken – ihr Schwarzgeld Mitte 2012 noch bar abheben können. Meist handelt es sich um Beträge unter 500.000 Euro, die dann unters Kopfkissen wandern, auf die Kinder aufgeteilt oder verbraucht werden. Nicht von ungefähr verzeichnen vor allem Juweliere und Uhrenhändler in der Schweiz und Deutschland Ende 2011/Anfang 2012 hohe Zuwachsraten. Dabei legt der Verkauf von Golduhren am stärksten zu. „Swiss made“ am Handgelenk statt Schwarzgeld im Banktresor, so lautet bei Steuerflüchtlingen heute die Devise.
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