Steuerflucht - Das Milliardengeschaeft mit dem Schwarzgeld Ein Insider packt aus
Lebensmittelkonzern Parmalat , 692 obskure Offshore-Gesellschaften bei Enron – doch die Drahtzieher, die für die Betrügereien zuständig waren, waren der Londoner City häufig näher als den Cayman Islands. So funktioniert das Offshore-System.
Die Offshore-Strukturen nutzen immer Bürgern, Unternehmen und Institutionen, die sich an einem anderen Ort befinden. Die Nutznießer von Offshore-Aktivitäten sitzen also in der Regel nicht in den Steuerparadiesen, sondern anderswo – deswegen heißt es offshore. Aber erst das Offshore-System dort ermöglicht ihnen den Betrug.
Die Basis für Steuerbetrug
Die Zahlen der Global Financial Integrity (GFI) ergänzen die Statistik über das globale Ausmaß der illegalen Finanzströme. Entwicklungsländern entgehen auf diese Weise jährlich bis zu eine Billion Dollar. Mit anderen Worten: Auf jeden Dollar ausländischer Entwicklungshilfe kommen zehn Dollar an illegalen Geldabflüssen. In der Regel in Steuerparadiese.
Gleichzeitig arbeitet die Offshore-Industrie darauf hin, die Gesetzgeber kleinerer Steuerparadiese in Beschlag zu nehmen, um das globale System illegalen Geldes zu perfektionieren. Die Eckpunkte ihres Vorgehens:
Reichtum wird aus den Quellenländern abgezogen.
Volkswirtschaften, die zunehmend Merkmale von Steueroasen aufweisen, nehmen das Geld in Empfang.
Offshore-Zwischenstationen wickeln den Transfer ab.
Indem das Private Banking beziehungsweise das Wealth-Management der Finanzindustrie in den reichen Industrieländern alle drei Bereiche kontrollierte, wurde es zu einer der profitabelsten Branchen in der Geschichte der Finanzwelt. Der Aufstieg der Schweizer Banken in den letzten drei Jahrzehnten dokumentiert das eindrucksvoll.
Die vermehrte Kreditvergabe an Drittweltländer in den 1970er- und 1980er-Jahren bildete die Grundlage eines globalen Netzes von Steuerparadiesen. Nach Berechnungen von James Henry , dem früheren Chefökonomen der Unternehmensberatung McKinsey , floss „mindestens die Hälfte des Geldes, das die größten Schuldnerländer als Kredit aufnahmen, unter dem Tisch zurück. Meist innerhalb weniger Wochen. Ab den frühen 1990er-Jahren war in Europa und den USA annähernd so viel Fluchtkapital vorhanden, dass damit die gesamten Schulden der Entwicklungsländer hätten bedient werden können – wenn man auf die Erträge dieser Vermögen nur eine bescheidene Steuer erhoben hätte. In einigen Ländern wie Mexiko, Argentinien und Venezuela überstieg das illegale Offshore-Vermögen der Eliten die öffentlichen Schulden um ein Vielfaches“ ( Oxfam -Studie, 2009).
Heute besitzt das eine reichste Prozent der Haushalte in Entwicklungsländern geschätzte 70 bis 90 Prozent des gesamten privaten Finanz- und Immobilienvermögens. Die Boston Consulting Group ging 2003 in einer Studie davon aus, dass „mehr als die Hälfte des Reichtums der wohlhabendsten Lateinamerikaner in der Offshore-Zone liegt“. Das Problem dieser Länder war somit nicht, kein Vermögen zu haben. Das Problem war, dass es in Miami lag.
1982 hielt der mexikanische Präsident José López Portillo eine Rede vor dem Parlament, in der er über die Herausforderungen sprach, vor denen das Land stand. „Die Finanzplage richtet in der ganzen Welt immer größeren Schaden an. Ihre Folgen sind Arbeitslosigkeit, Armut, einbrechende Industrien und Bereicherung durch Spekulation.“ Er machte eine Gruppe von Mexikanern verantwortlich, die „angeführt, beraten und unterstützt werden von den Privatbanken, die mehr Geld aus dem Land getragen haben als die Kolonialreiche“. Portillo wollte nach der Rede die Banken verstaatlichen und Devisenkontrollen einführen. Doch innerhalb zehn Tagen zwang ihn eine Allianz aus Bankern, Geschäftsleuten und konservativen Mexikanern, den Rückzug anzutreten. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) schenkten der Kapitalflucht aus dem Land keine Beachtung und befahlen Mexiko und anderen südamerikanischen Schuldnerländern: „Bringt eure Staatsfinanzen in Ordnung.“
Als Folge wurden Milliarden Dollaranleihen auf den Markt geworfen. Um Käufer zu finden, waren diese mit saftigen Risikoprämien gekoppelt. Für argentinische und brasilianische Dollaranleihen bedeutete das Renditen von knapp 45 Prozent und für mexikanische Anleihen 25 Prozent. Die größten Anleger waren politische Insider, die in Staatsschuldenfonds mit Sitz in Steueroasen der Karibik investierten. Und die wussten, dass ihre
Weitere Kostenlose Bücher