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Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank

Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank

Titel: Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn - Wenn mich jemand sucht – ich bin im Kühlschrank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stevani Fuhlrott mit Christiane Hagn
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Wochen Sodbrennen! Immerhin war diese Diät preislich gesehen unschlagbar. Denn ich kaufte nur ein einziges Mal eine Flasche Apfelessig und dann nie wieder.
    Mein Leben ging weiter und ich begann, mich meinem Schicksal zu beugen. Doch eines Sonntags passierte Folgendes: Sascha und ich saßen beim Mittagessen (Pommes mit Majo und Chicken McNuggets) im Esszimmer. Seine Eltern, die quasi zur Einrichtung gehörten, lümmelten mit Bierpullen und Kaffeetassen in unserem Wohnzimmer herum (wir hatten den größeren Fernseher), die Füße auf dem Tisch (wo sonst?). Dann stand Sascha plötzlich auf und verließ den Raum. Nach fünf
Minuten kam er wieder herein – mit meinem Kopfkissen. Er roch daran, sprang an den Esstisch, holte aus und schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Fast zeitgleich rieb er mir das Kissen unter die Nase und brüllte mich an: »Du Nutte vögelst mit unserem Nachbarn!«
    Ich sah ihn verwirrt an, heulte vor Schreck und Schmerz und schwor unter Tränen, dass ich den Nachbarn nicht mal kannte – was auch stimmte. Sascha drehte sich um und rauschte aus dem Zimmer. Seine Eltern, keine zwei Meter entfernt, hoben nur kurz ihre benebelten Köpfe und sahen dann weiter fern (meistens Fußball oder den Shopping-Kanal).
    Zwei Minuten später betrat Sascha erneut den Raum. Er schlurfte zurück zum Tisch, setzte sich und aß weiter. Dann schaute er mich verwirrt an und fragte, was los sei und warum ich schon wieder heulen würde … (Das Krankheitsbild des Borderliners war mir zu dieser Zeit noch nicht bekannt.)
    Nun stürmte ich aus dem Zimmer, dann aus dem Haus. Bloß erst mal weg von diesem Irren. Beim Bäcker an der Ecke kaufte ich mir eine halbe Sahnetorte, die ich noch vor Ort verschlang.
    Kurzes Resümee: Mit knapp über zwanzig hatte ich meinen (Alb-)Traummann, ich war fett, todunglücklich und immer pleite. Ich hatte das Gefühl, von der Glücksfee gemobbt zu werden. Doch im tiefsten Inneren wusste ich es besser. Es war noch viel schlimmer, denn ich war selbst schuld!
    Aber dieser Tag war schlimmer als alle zuvor. Ich wollte mit jemandem reden, der mir nahestand, und fuhr aus lauter Verzweiflung zu meinem Vater. Zu ihm hatte ich inzwischen ein relativ gutes Verhältnis. Ich konnte mich zwar auf keines seiner Versprechen verlassen und meistens war er betrunken, aber irgendwie war er mir doch ziemlich ähnlich. Auch wenn er mich immer belog und enttäuschte, ich fühlte mich ihm verbunden. Blut ist dicker als ich – oder wie war das?
    Als ich klingelte, öffnete mir seine verrückte Freundin Doris, die einzige Frau, die es länger als ein halbes Jahr an seiner Seite aushielt. Doris soff wie ein Loch und sah aus wie Miss Piggy in Rente. Jedenfalls öffnete sie mir die Tür und brüllte mich an: »Was willst du hier? Du kannst uns auch nicht helfen! Dein Vater hat Krebs im Endstadium!«
    Ja, nicht gerade die sensibelste Art, mir diese Neuigkeit mitzuteilen. Noch dazu holte sie danach aus, klatschte mir mitten ins Gesicht und schlug mir die Tür vor der Nase zu. Das war meine zweite Ohrfeige innerhalb einer Stunde – ein neuer Rekord.
    Was hatte sie gesagt? Mein Vater hatte Krebs? Ich postierte mich heulend in meinem Auto – gegenüber dem Haus, hinter einer Hecke – und wartete ab. Nach zwei Stunden verließ Doris das Haus und ich klingelte erneut. Diesmal öffnete mir mein Vater die Tür – mit einem Lächeln im Gesicht. Er lächelte immer, wenn er mich sah. Meistens, weil er betrunken war, aber nicht an diesem Tag.
    Zugegeben, er sah schlecht aus und hatte Probleme, mich zu verstehen, da sein Hörvermögen nicht mehr sehr gut war. Er erzählte mir, dass die Probleme eine Woche zuvor begonnen hatten. Auf dem MRT-Bild hatten die Ärzte mehrere Gehirntumore entdeckt und mit einer Strahlentherapie begonnen. Schon am nächsten Tag war er fast taub gewesen.
    Ich verzichtete darauf, mich bei meinem Vater über Sascha auszuheulen. Probleme sind eben auch relativ.
    Genug Drama für einen Tag, könnte man denken. Nachdem mir mein Vater also mitgeteilt hatte, dass er bald sterben würde, fuhr ich noch verzweifelter als zuvor »nach Hause«. Wahrscheinlich, weil ich nicht wusste, wo ich sonst hätte hinfahren sollen. Meine Mutter arbeitete und vermutlich hätte sie der bevorstehende Tod ihres gemeinen Exmannes nicht sonderlich erschüttert.
    Um mir wenigstens etwas Normalität vorzugaukeln, räumte ich in einer Art Übersprunghandlung die Wohnung auf. Ich putzte die Fenster, wusch Wäsche, bügelte sogar

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