Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)
Prototyp schließlich zu Gesicht bekam, hatte er einiges kritisch anzumerken. »Aus meiner Sicht war der Raum zu stark zergliedert und nicht aufgeräumt genug. Es gab zu viele architektonische Details und Farben, die ablenkten.« Er betonte, dass es den Kunden möglich sein sollte, mit nur einem Blick den ganzen inneren Fluss eines Verkaufsraums zu erfassen, sobald sie diesen betraten. Jobs stimmte dem zu, dass Einfachheit und fehlende Ablenkung der Schlüssel zu einem großartigen Laden seien, genau wie bei den Produkten. »Damit hatte er es geschafft«, sagte Drexler. »Seine Vision war die vollständige Kontrolle der gesamten Produkterfahrung, vom Design über die Herstellung bis hin zum Verkauf.«
Im Oktober 2000 glaubte Johnson, kurz vor dem Ende des Prozesses angelangt zu sein. Vor einem jener Treffen am Dienstagmorgen wachte er allerdings mitten in der Nacht auf und quälte sich mit einem Gedanken: Sie hatten einen ganz grundlegenden Fehler gemacht. Sie waren dabei, die Organisation des Ladens an Apples wichtigsten Produktlinien auszurichten. Es gab Bereiche für den Power Mac, den iMac, das iBook und für das PowerBook. Doch Jobs war im Begriff, ein neues Konzept zu entwickeln: der Computer als Hub, als Knotenpunkt all unserer digitalen Aktivitäten. Anders ausgedrückt: Wenn der Computer jetzt schon mit Videos und Fotos von Kameras umgehen konnte, dann konnte er vielleicht eines Tages auch Musik abspielen oder man konnte auf ihm Bücher und Zeitschriften lesen. So hatte Johnson im Morgengrauen den Geistesblitz, dass man die Läden nicht nur entsprechend der vier Computer-Produktlinien des Unternehmens organisieren sollte, sondern entsprechend den Dingen, die Menschen möglicherweise tun wollten. »Ich dachte, es sollte zum Beispiel eine Filmabteilung geben, in der mehrere Macs und PowerBooks mit iMovie stehen, an denen gezeigt wird, wie man Filme von der eigenen Videokamera importieren und bearbeiten kann.«
Es war noch früh an diesem Dienstag, als Johnson in Jobs’ Büro eintrat und ihm von seiner plötzlichen Erkenntnis berichtete: Sie mussten die Läden umgestalten. Er hatte schon Geschichten über die unbeherrschte Zunge seines Chefs gehört, aber er hatte sie – bis zu diesem Moment – noch nicht zu spüren bekommen. Jobs explodierte. »Ist dir eigentlich klar, was das für eine riesige Veränderung bedeutet?«, schrie er. »Ich habe mir sechs Monate lang den Arsch aufgerissen für diesen Laden, und jetzt kommst du daher und willst alles ändern.« Plötzlich wurde Jobs still. »Ich bin müde. Ich weiß nicht, ob ich noch einmal einen neuen Laden von Grund auf entwerfen kann.«
Johnson war sprachlos, und Jobs sorgte dafür, dass er es auch blieb. Auf der Fahrt zum Prototyp-Laden, wo sich die Mitarbeiter schon zum Meeting versammelt hatten, wurde Johnson von Jobs angewiesen, mit niemandem ein Wort zu wechseln, nicht mit ihm und auch mit sonst niemandem aus dem Team. Also verbrachten sie die sieben Minuten Autofahrt schweigend. Als sie schließlich ankamen, hatte Jobs verarbeitet, was Johnson ihm zuvor mitgeteilt hatte. »Mir war klar, dass Ron recht hatte«, erinnerte sich Jobs. Und so eröffnete er, zu Johnsons großer Verwunderung, das Meeting mit den Worten: »Ron meint, dass wir alles falsch aufgezogen haben. Er meint, der Laden sollte nicht auf die Produkte ausgerichtet sein, sondern auf das, was Menschen tun.« Er machte eine Pause und fuhr dann fort: »Und ihr wisst, dass er recht hat.« Er sagte, dass sie das Layout überarbeiten würden, auch wenn das die für Januar geplante Einführung um drei oder vier Monate verzögerte. »Wir haben nur eine Chance, es richtig zu machen.«
Es gab eine Geschichte, die Jobs wirklich gern erzählte und die auch sein Team an diesem Tag zu hören bekam: Bei allem, was er richtig gemacht habe, habe er zu einem bestimmten Zeitpunkt auch einmal zurückspulen müssen. Jedes Mal habe er etwas überarbeiten müssen, von dem er erkannt hatte, dass es nicht perfekt war. Er berichtete von Toy Story – hier war die Figur des Woody nach und nach zu einem Trottel geworden – und von mehreren Anlässen im Zusammenhang mit dem Ur-Macintosh. »Wenn etwas nicht richtig ist, dann kann man das nicht einfach ignorieren und sagen, man bringt es später in Ordnung«, sagte Jobs. »So arbeiten andere Firmen.«
Im Januar 2001 war der überarbeitete Prototyp schließlich fertig, und Jobs präsentierte ihn zum ersten Mal dem Board. Zunächst erläuterte er den Mitgliedern die
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