Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)
einer Richtung möglich sein sollte. Die Leute sollten Musik von ihrem Computer auf den iPod übertragen können, nicht aber von ihrem iPod auf einen Computer. Das verhinderte, dass sie ihren iPod vollpackten und die Musikstücke dann unzähligen Freunden zum Kopieren gaben. Er wollte außerdem, dass auf der durchsichtigen Plastikhülle des iPod eine eindeutige Botschaft stand: »Don’t Steal Music.« (»Klau keine Musik.«)
Das Weiße des Wals
Jony Ive hatte mit dem iPod-Styropormodell herumgespielt und überlegt, wie das fertige Produkt aussehen könnte, als er auf der morgendlichen Fahrt von seiner Wohnung in San Francisco nach Cupertino eine Idee hatte. Die Vorderseite müsste strahlend weiß sein, erklärte er seinem Beifahrer und Kollegen, und nahtlos mit der Rückseite aus poliertem Edelstahl verbunden werden. »Die meisten kleinen Produkte haben so einen Wegwerfcharakter«, sagte Ive. »Sie haben keine Aura. Worauf ich beim iPod wirklich stolz bin, ist, dass er etwas Besonderes hat, dass er irgendwie bedeutsam wirkt und nicht billig.«
Das Weiß sollte weiß sein, rein weiß. »Nicht nur das Gerät selbst, auch die Kopfhörer und die Kabel und sogar das Netzgerät«, erinnerte er sich. » Rein weiß.« Die anderen hielten dagegen, dass die Kopfhörer doch besser schwarz wären, wie alle Kopfhörer. »Aber Steve hat meine Idee sofort begriffen und war ebenfalls für Weiß«, so Ive. »Es hätte damit so etwas Reines.« Die fließenden weißen Linien der Kopfhörerkabel sollten maßgeblich dazu beitragen, dass der iPod zur Ikone wurde. In den Worten von Ive:
Er hatte etwas sehr Bedeutsames und wirkte so gar nicht wie ein Wegwerfprodukt. Andererseits hatte er auch etwas sehr Ruhiges und Zurückhaltendes, er sprang einem nicht ins Gesicht. Er war zurückhaltend, aber auch verrückt, vor allem mit diesen fließenden Kopfhörern. Deswegen mag ich Weiß so gern. Weiß ist nicht nur neutral. Es ist auch rein und ruhig. Hervorstechend und auffällig – und zugleich ganz unaufdringlich.
Statt einer herkömmlichen Werbekampagne zur Produkteinführung, bei der mit den wichtigsten Eigenschaften des Geräts geworben wird, wollte Lew Clows Team bei TBWA\Chiat\Day den ikonischen Charakter des iPod und die weiße Farbe herausstellen. James Vincent, ein hoch aufgeschossener junger Brite, der sich bereits als Musiker in einer Band und als DJ versucht hatte und erst kürzlich zur Agentur gekommen war, war für das Apple-Marketing die Idealbesetzung, wollte man doch nicht mehr so sehr auf die rebellischen Babyboomer, sondern stärker auf die hippen Millennials als Hauptzielgruppe setzen. Mithilfe von Art Director Susan Alinsangan gestalteten sie eine Reihe von Plakaten und Anzeigen für den iPod und breiteten die Entwürfe vor Jobs auf dem Konferenzzimmertisch aus, damit er sie sich ansehen konnte.
Am äußersten rechten Tischrand waren die konservativsten Entwürfe platziert, auf denen der iPod nüchtern vor einem neutralen Hintergrund abgebildet war. Ganz nach links legten sie die am stärksten grafisch und ikonisch gestalteten Entwürfe, auf denen nur die Silhouette einer Person zu sehen war, die beim iPod-Hören tanzte, wobei die weißen Kopfhörerkabel in der Luft mitzuschwingen schienen. »Das bildete eine emotionale und zutiefst persönliche Beziehung zur Musik ab«, so Vincent. Er schlug dem Creative Director Duncan Milner vor, sie sollten sich alle auf der linken Tischseite postieren und versuchen, Jobs ebenfalls dorthin zu lenken. Als er hereinkam, ging er sofort nach rechts, wo die klassischen Produktfotos lagen. »Das sieht super aus«, meinte er. »Lasst uns damit weitermachen.« Vincent, Milner und Clow rührten sich nicht vom Fleck. Schließlich sah Jobs auf, warf einen kurzen Blick auf die reduzierten Darstellungen und sagte: »Ich schätze, ihr seid eher dafür.« Er schüttelte den Kopf. »Da ist das Produkt ja überhaupt nicht zu erkennen. Und man erfährt auch nicht, was es ist.«
Vincent schlug vor, unter die Silhouetten noch »1000 Songs in der Tasche« zu setzen. Damit wäre alles Wesentliche gesagt. Jobs warf noch einen Blick auf das rechte Tischende, stimmte dann aber zu. Nicht ganz überraschend behauptete er kurze Zeit später, dass er es gewesen sei, der auf die reduzierte und stilisierte Bildsprache gedrängt habe. »Da waren manche doch etwas skeptisch und fragten: ›Wie soll man damit auch nur einen einzigen iPod verkaufen?‹«, erinnerte er sich. »In so einer Situation ist es dann ganz
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