Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)
konnte ebenso eindringlich sein wie seine Schimpftiraden – er hatte es sich selbst beigebracht, ohne Blinzeln zu starren. Diese Intensität hatte manchmal etwas Charmantes – auf eine freakige Art und Weise –, etwa wenn er einem die Tiefsinnigkeit der Musik von Bob Dylan erläuterte oder wenn er jedes Mal bei der Präsentation eines neuen Produktes erklärte, warum genau dieses das Tollste war, das Apple je hergestellt hat. In anderen Momenten hatte diese Intensität etwas Furcht einflößendes, etwa wenn er darüber schimpfte, wie Google oder Microsoft Apple beklauten.
Diese Intensität beförderte seine binäre Weltsicht. Weggefährten sprachen in diesem Zusammenhang von der Dichotomie Held/Mistkerl. Man war entweder das eine oder das andere, manchmal an ein und demselben Tag. Das Gleiche galt für Produkte, für Ideen, selbst für Essen: Eine Sache wurde entweder zum »Besten aller Zeiten« erklärt oder sie war beschissen, gehirnamputiert, ungenießbar. In Konsequenz davon konnte jeder von ihm wahrgenommene Mangel eine Schimpftirade auslösen. Die Oberflächenverarbeitung eines Metallteils, die Wölbung eines Schraubenkopfes, die Farbschattierung eines Blautons auf einem Gehäuse, die Intuitivität eines Navigationsbildschirms – alles erklärte er regelmäßig für »vollkommen scheiße« bis zu jenem Moment, wenn er plötzlich verkündete, es sei »absolut perfekt«. Er betrachtete sich selbst als Künstler, was er auch war, und er frönte dem Temperament eines solchen.
Seine Suche nach Perfektion führte zu dem Drang, dass Apple allumfassende Kontrolle über alle hergestellten Produkte ausüben sollte. Er bekam regelrecht Hautausschlag oder etwas noch Schlimmeres, wenn er darüber nachdachte, wie Apples tolle Software auf der schlechten Hardware anderer Firmen laufen könnte. Und er reagierte geradezu allergisch auf den Gedanken an nicht genehmigte Apps oder Inhalte, die die Perfektion eines Apple-Geräts besudeln könnten. Die Fähigkeit, Hardware, Software und Content in ein einziges einheitliches System zu integrieren, machte es ihm möglich, Einfachheit durchzusetzen. Der Astronom Johannes Kepler hatte erklärt: »Die Natur liebt Einfachheit und Einheit.« Genau das tat auch Jobs.
Diese feine Nase für integrierte Systeme positionierte ihn ganz klar auf einer Seite der Kluft innerhalb der digitalen Welt: offen vs. geschlossen. Das aus dem Homebrew Computer Club stammende Hackerethos favorisierte den offenen Zugang, bei dem wenig zentralisierte Kontrolle existiert und man die Freiheit besitzt, Hard- und Software zu modifizieren, Codes auszutauschen, auf offene Standards hin zu programmieren, proprietäre Systeme zu meiden und Inhalte und Anwendungen hervorzubringen, die mit vielfältigen Geräten und Betriebssystemen kompatibel sind. Der junge Wozniak gehörte zu diesem Lager: Der Apple II, den er entworfen hatte, ließ sich leicht öffnen und wies reichlich Slots und Ports auf, an die man anschließen konnte, was einem beliebte. Mit dem Macintosh jedoch wurde Jobs zum Gründervater des anderen Lagers. Der Macintosh ähnelte einem Haushaltsgerät – Hard- und Software waren eng miteinander verwoben und gegenüber Modifikationen abgeschottet. Das Hackerethos wurde geopfert, um ein nahtloses und einfaches Nutzererlebnis zu ermöglichen.
Das führte dazu, dass Jobs anordnete, Apples Betriebssystem für keine Hardware einer anderen Firma verfügbar zu machen. Microsoft verfolgte die umgekehrte Strategie und ließ das Betriebssystem Windows auf geradezu promiske Art und Weise lizenzieren. Dabei kamen zwar nicht die allerelegantesten Computer heraus, aber es führte dazu, dass Microsoft die Welt der Betriebssysteme dominierte. Nachdem Apples Marktanteil auf unter fünf Prozent geschrumpft war, erklärte man Microsofts Herangehensweise zur siegreichen im Reich der Computerbranche.
Langfristig aber sollte sich zeigen, dass Jobs’ Ansatz gewisse Vorteile barg. Trotz des niedrigen Marktanteils war Apple in der Lage, eine hohe Gewinnspanne aufrechtzuerhalten, während andere Computerhersteller Allerweltsprodukte produzierten. 2010 etwa entfielen auf Apple nur sieben Prozent der Umsätze im Markt für Personal Computer, dabei schöpfte die Firma aber 35 Prozent des operativen Ertrags ab.
Noch bezeichnender war die Tatsache, dass Jobs’ nachdrückliches Bestehen auf allumfassende Integration Apple die Möglichkeit eröffnete, die Strategie eines digitalen Knotenpunkts zu entwickeln, sodass der eigene
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