Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)
jener Zen-Gärten von Kyoto, die Jobs so liebte. Keine dieser beiden Erfahrungen wurde dadurch hervorgerufen, dass man am Altar der Offenheit opferte oder tausend Blumen blühen ließ. Manchmal kann es schön sein, sich in die Hände eines Kontrollfreaks zu begeben.
Jobs’ Intensität zeigte sich ebenfalls deutlich in seiner Fähigkeit zur Fokussierung. Er setzte Prioritäten, lenkte seine Aufmerksamkeit – scharf wie ein Laserstrahl – auf diese und blendete Störungen aus. Wenn ihn etwas faszinierte – die Benutzeroberfläche des Ur-Macintosh, das Design des iPod und des iPhone, die Integration von Musikfirmen in den iTunes Store –, war er unermüdlich. Doch wenn er sich mit einer Sache nicht auseinandersetzen wollte – mit einer juristischen Schikane, einer geschäftlichen Angelegenheit, seiner Krebsdiagnose, einer familiären Auseinandersetzung –, dann ignorierte er sie hartnäckig. Diese Form der Fokussierung machte es ihm möglich, Nein zu sagen. Er brachte Apple wieder auf Kurs, indem er bis auf wenige Kernprodukte alle anderen aufgab. Er vereinfachte Geräte, indem er Knöpfe reduzierte, er vereinfachte Software, indem er Funktionen reduzierte, und er vereinfachte Benutzeroberflächen, indem er Optionen reduzierte.
Seine Fähigkeit zur Fokussierung und seine Liebe zur Einfachheit schrieb er seiner Zen-Ausbildung zu. Sie verfeinerte seine Wertschätzung für Intuition, sie lehrte ihn, wie man alles Ablenkende oder Unnötige ausblenden konnte, und schulte ihn in einer auf Minimalismus fußenden Ästhetik.
Leider brachte ihn seine Zen-Ausbildung nie ganz zu einer dem Zen entsprechenden Ruhe oder zu innerer Gelassenheit, und auch das ist Teil seines Vermächtnisses. Er war oft voll innerer Anspannung und ungeduldig, und er gab sich keine Mühe, diese Persönlichkeitszüge zu verbergen. Die meisten Menschen besitzen eine Kontrollinstanz, die zwischen Gehirn und Mund sitzt und ihre brutalsten Ansichten und stechendsten Impulse abschwächt. Jobs besaß so etwas nicht. Er legte Wert darauf, auf brutale Weise ehrlich zu sein. »Es ist mein Job, klar auszusprechen, wenn etwas scheiße ist, anstatt es schönzufärben.« Dieser Zug machte ihn charismatisch und inspirierend, er machte ihn aber auch, um die Sache beim Namen zu nennen, bisweilen zu einem Arschloch.
Andy Hertzfeld äußerte mir gegenüber einmal: »Es gibt eine Frage, auf die ich von Steve wirklich gern eine Antwort hätte: ›Warum bist du manchmal so gemein?‹« Selbst seine Angehörigen fragten sich, ob er den Filter, der Menschen davon abhält, ihre verletzenden Gedanken zu äußern, wirklich nicht hatte oder ob er ihn willentlich überging. Jobs behauptete, es sei Ersteres. »Genau so bin ich, und man kann nicht erwarten, dass ich jemand bin, der ich eben nicht bin«, antwortete er mir, als ich ihm eben diese Frage stellte. Doch ich glaube, dass er sich eigentlich hätte kontrollieren können, wenn er nur gewollt hätte. Wenn er Menschen verletzte, dann tat er das nicht, weil ihm das emotionale Verständnis fehlte. Ganz im Gegenteil: Er war in der Lage dazu, Menschen einzuschätzen, ihr Innenleben zu verstehen, sie miteinander in Beziehung zu setzen, sie zu etwas zu überreden oder auch willentlich zu verletzen.
Der Zug gemeiner Schärfe in seiner Persönlichkeit wäre nicht notwendig gewesen. Sie behinderte ihn mehr, als dass sie ihm nutzte. Doch manchmal diente sie auch einem Zweck. Höfliche Führungspersönlichkeiten, die Samthandschuhe tragen und darauf achten, andere nicht zu verletzen, sind im Allgemeinen nicht so gut darin, Veränderungen durchzusetzen. Dutzende jener Weggefährten, die Jobs am meisten beschimpfte, schlossen ihre Litanei von Horrorgeschichten mit der Bemerkung, dass er sie dazu gebracht habe, Dinge zu tun, die sie nie im Traum auch nur für möglich gehalten hätten.
Die Geschichte von Steve Jobs ist der Gründungsmythos des Silicon Valley in Reinkultur: die Gründung einer Start-up-Firma in der sprichwörtlichen Garage, die schließlich zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufgebaut wird. Er hat nicht viele Dinge direkt erfunden, aber er war ein Meister darin, Ideen, Kunst und Technologie auf eine Art und Weise zusammenzufügen, mit der man die Zukunft erfand. Er entwarf den Mac, nachdem er die Stärke der grafischen Benutzeroberfläche auf eine Art und Weise zu schätzen gelernt hatte, zu der Xerox nicht in der Lage gewesen war. Und er schuf den iPod, nachdem er begriffen hatte, welche Freude es sein konnte,
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