Steve Jobs: Die autorisierte Biografie des Apple-Gründers (German Edition)
Zugang zum ARPANET, dem vom Verteidigungsministerium konzipierten dezentralen Forschungsnetz, Spracherkennung und synthetische Musikausgabe in beliebiger Qualität, »bis hin zu Caruso, der vom Tabernakelchor der Mormonen begleitet wird, mit stufenlos einstellbarem Hall«. Das Memo schloss: »Es ist Unsinn, mit den gewünschten Fähigkeiten anzufangen. Wir müssen zu Beginn sowohl Preis als auch Fähigkeiten des Computers festlegen, und zwar unter Berücksichtigung der heute oder in naher Zukunft verfügbaren Technologie.« Mit anderen Worten: Raskin hatte wenig Verständnis für Jobs’ Überzeugung, man könne mit genügend Leidenschaft für sein Produkt die Realität nach Belieben manipulieren.
Ein Zusammenstoß zwischen den beiden war unvermeidlich, besonders nachdem Jobs im September 1980 aus dem Lisa-Projekt geflogen war und sich nach einem neuen Wirkungsbereich umsah. Unvermeidlich fiel sein Blick dabei auf das Macintosh-Projekt. Raskins programmatische Schriften über einen preiswerten Massencomputer mit einfacher grafischer Benutzeroberfläche und übersichtlichem Design faszinierten ihn. Sowie Jobs das Macintosh-Projekt ins Visier nahm, waren Raskins Tage gezählt. »Steve fing an, das Projekt nach seinen Vorstellungen umzugestalten, Jef wurde mürrisch, und es war sofort klar, wie das ausgehen würde«, erinnerte sich Joanna Hoffman, damals im Mac-Team.
Der erste Konflikt entbrannte um den von Raskin hartnäckig verteidigten Motorola-6809-Prozessor. Wieder ging es darum, dass Raskin den Verkaufspreis unter 1000 Dollar halten wollte, Jobs aber entschlossen war, einen wahnsinnig tollen Rechner zu bauen. Jobs agitierte für die Umstellung des Mac auf den stärkeren Motorola 68000, den auch das Lisa-Projekt benutzte. Kurz vor Weihnachten 1980 forderte er Burrell Smith ohne Raskins Wissen auf, einen neuen Prototyp mit dem stärkeren Chip zu entwickeln. Nach dem Vorbild seines Helden Wozniak stürzte sich Smith in die Arbeit, saß drei Wochen lang rund um die Uhr im Büro und setzte atemberaubende Programmiertricks ein. Als er tatsächlich Erfolg hatte, konnte Jobs den Wechsel zum Motorola 68000 durchsetzen. Raskin wurde noch mürrischer und musste den Verkaufspreis des Mac neu berechnen.
Im Grunde ging es dabei aber um mehr. Raskins billigerer Prozessor wäre nämlich zu schwach gewesen für die grafischen Neuerungen – Fenster, Menüs, Maussteuerung und so weiter –, die das Team im Xerox PARC gesehen hatte. Zwar hatte Raskin selbst die Besuche im Xerox PARC initiiert und das Bitmap-Display mit den Fenstern gefiel ihm, aber er hatte nichts für all die niedlichen Grafiken und Icons übrig und hasste die Vorstellung, anstatt einer normalen Tastatureingabe mit einem mausgesteuerten Cursor herumzuklicken. »Einige der Beteiligten an dem Projekt wollten unbedingt alles mit der Maus machen«, murrte er später. »Und dann diese absurden Icons. Ein Icon ist ein Symbol, das in allen menschlichen Sprachen gleichermaßen unverständlich ist. Die Lautsprache wurde schließlich nicht ohne Grund erfunden.«
Raskins ehemaliger Student Bill Atkinson schlug sich auf Jobs’ Seite. Beide wollten einen starken Prozessor, der aufwendigere Grafiken und die Eingabe mit der Maus ermöglichte. »Steve musste Jef das Projekt schließlich entziehen«, erzählte Atkinson. »Jef war ziemlich stur, und Steve hatte recht, als er es ihm wegnahm. Die Welt bekam einen besseren Computer.«
Die Meinungsverschiedenheiten waren nicht nur grundsätzlicher Art, sondern Zusammenstöße verschiedener Persönlichkeiten. »Er kommandiert gern herum, glaube ich«, sagte Raskin einmal. »Ich hielt ihn für unzuverlässig, und er gesteht nie ein, Fehler zu machen. Er mag es nicht, wenn ihn jemand ohne Heiligenschein sieht.« Jobs äußerte sich genauso abfällig über Raskin: »Jef verhielt sich ziemlich arrogant. Er wusste nicht viel über Benutzeroberflächen. Also schnappte ich ihm ein paar seiner wirklich guten Leute weg, Atkinson zum Beispiel, brachte ein paar eigene mit, übernahm das Projekt und fing an, einen weniger teuren Lisa-Rechner zu bauen anstatt ein Stück Schrott.«
Einige Mitarbeiter des Teams kamen mit Jobs absolut nicht zurecht. »Jobs ist eher die Ursache von Spannungen, Intrigen und Problemen, als dass er ihre Abwesenheit genießt«, schrieb ein Ingenieur im Dezember 1980 in einem Memo an Raskin. »Ich unterhalte mich sehr gern mit ihm und bewundere seine Ideen, seine praktischen Ansätze und seine Energie. Aber meiner
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