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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
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sich neben mich. Schweigend beobachteten wir
Mom durch den Spiegel. Kurz nachdem Gary gegangen war, verzerrte sich ihr
Gesicht vor Wut, doch ihre Lider hoben sich, als der letzte Rest ihres
angetrunkenen Mutes verpuffte und seine letzten Worte ihre Wirkung entfalteten.
Sie erbleichte und schlug beide Hände vor den Mund. Diesmal war es kein
Als-ob-Jammern. Schluchzend begann sie am ganzen Körper heftig zu zucken und zu
zittern. Mit wilden Blicken schaute sie sich in dem leeren Raum um. Sie
taumelte zurück, landete hart auf dem Stuhl und starrte, immer noch
schluchzend, auf die Tür.
     
    »Willst du
reingehen und mit ihr reden?«, fragte Gary. »Ich kann nicht.« Ich zitterte.
    Als ich
ihn fragte, was als Nächstes geschehen würde, sagte er, Mom und Wayne würden
bis zur Anklageerhebung in Haft bleiben, dann würde die Kaution festgesetzt.
Ich hatte noch keinen einzigen Gedanken daran verschwendet, dass es ja eine
Gerichtsverhandlung geben würde. Mit Sicherheit würde Mom versuchen, einen Deal
auszuhandeln. Obwohl es mir egal sein sollte, was mit ihr geschehen würde,
fragte ich mich, ob sie wohl einen Anwalt bekäme und wie sie sich einen leisten
sollte.
    »Was ist
mit dem Kredithai? Kann er ihnen gefährlich werden?«
    »Um den
müssen wir uns noch kümmern. Aber wir werden dafür sorgen, dass ihnen nichts
passiert.«
    Keiner von
uns sprach ein Wort, als Gary mich zu meinem Wagen brachte - ich hatte nicht
die geringste Ahnung, was ich in dieser Situation sagen sollte. Danke,
dass du meine Mom festgenommen und sie so geschickt verhört hast - du weißt echt,
wie man sie reinlegen kann!
    Als ich in
mein Auto steigen wollte, sagte er: »Ich habe etwas für dich.« Er reichte mir
einen Packen Spielkarten. »Wayne hatte sie bei sich, als wir ihn verhaftet
haben, und er bat mich, sie dir zu geben. Er wollte, dass du weißt, wie leid es
ihm tut.« Er schwieg und sah mich eindringlich an. »Mir tut es auch leid,
Annie.«
    »Es
braucht dir nicht leidzutun - das ist dein Job, und du bist wirklich gut
darin.« Ich wusste, dass ich verbittert klang, und er machte ein unglückliches
Gesicht. »Es wäre noch schlimmer gewesen, wenn sie davongekommen wäre«, fügte
ich hinzu, obwohl ich in diesem Moment nicht wusste, ob das die Wahrheit war
oder nicht.
    Ich musste
mich dessen versichern, dass er mehr war als der Mann, den ich dabei beobachtet
hatte, wie er meine Mutter fertigmachte.
    »Erzähl
mir etwas, das niemand über dich weiß.«
    »Wie
bitte?«
    »Erzähl
mir etwas - irgendwas.« Unsere Blicke trafen sich.
    »In
Ordnung«, sagte er schließlich. »Manchmal, wenn ich nicht schlafen kann, stehe
ich auf und löffele Erdnussbutter direkt aus dem Glas.«
    »Erdnussbutter?
Das muss ich auch mal ausprobieren.«
    »Mach das
- es hilft.«
    Wir
schauten einander noch einen Moment an, dann stieg ich in mein Auto und fuhr
davon. Im Rückspiegel sah ich, dass er mir nachblickte, bis ein paar Cops
hinter ihm auftauchten, ihm auf die Schultern klopften und die Hand
schüttelten. Ich schätze, auf dem Revier hatten sie heute ordentlich was zu
feiern. Als ich zur Seite blickte und die Spielkarten auf dem Beifahrersitz
sah, stellte ich fest, dass ich immer noch Garys Jacke anhatte.
     
    Die
Zeitungen haben schneller von der Sache Wind bekommen, als meine Mom sich
einen Drink einschenken kann, und mein Telefon stand gar nicht mehr still.
Gestern habe ich einen Reporter erwischt, als er vor meinem Fenster herumschlich,
aber Emma hat ihn verjagt. Ich bin nicht mehr nur die Frau, die ein Jahr
verschwunden war, jetzt bin ich auch noch die Frau, deren Mutter sie hat
entführen lassen. Ich weiß nicht, ob ich diesen ganzen Mist noch einmal ertrage.
    Gestern
habe ich Luke angerufen, weil ich ihm sagen wollte, was los ist, ehe er es aus
den Nachrichten erfährt. Er war zu Hause, und einen Moment lang meinte ich, die
Stimme einer Frau im Hintergrund zu hören, aber vielleicht war das nur der
Fernseher.
    Ich
erzählte ihm, was Mom getan hatte und dass sie verhaftet worden war.
    Zuerst war
er entsetzt und fragte immer wieder, ob ich mir sicher sei, doch als ich ihre
Darstellung der Geschichte beschrieb, sagte er nur: »Sie muss sich ziemlich
mies fühlen - hört sich an, als hätte sie vollkommen die Beherrschung verloren.
«
    Er empfand
Mitleid für sie? Wie wäre es mit ein wenig Empörung
zu meinen Gunsten? Ich wollte ihm die Meinung sagen, aber es war mir nicht mehr
wichtig.
    Nachdem
ich aufgelegt hatte, starrte ich auf ein Bild von uns

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