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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
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vertrauen und sich zu
öffnen? Bisher hatte ich es nur geschafft, mich selbst durch eine Gefühlshölle
zu schicken, indem ich diese Geschichte ans Licht zerrte. Ich hatte gehört,
dass manche Kinder Loyalität gegenüber denen empfinden, die sie missbrauchen.
War es das, was ihn zurückhielt?
    »Wahrscheinlich
sollte ich dir das alles gar nicht erzählen«, sagte ich. »Meine Mom hat im
Laufe der Jahre so viel für mich getan, dass ich das Gefühl habe, sie zu
verraten, wenn ich schlecht über sie spreche.« Er drehte den Kopf in meine
Richtung. »Aber ich schätze, Eltern sind auch nur Menschen, die eben auch
Fehler machen.« Mein Verstand arbeitete auf Hochtouren, um jede
Vergib-deinen-Eltern-Plattitüde hervorzukramen, die ich je gelesen hatte. »Ich
sage mir immer, es ist okay, über diese Dinge zu reden. Ich kann meine Mutter
lieben und muss trotzdem nicht alles gut finden, was sie tut.«
    »Meine
Mutter war eine wundervolle Frau.« Er machte eine Pause. Ich wartete. »Wir
haben uns auch manchmal verkleidet.«
    Endlich
wurde es interessant.
    »Ich war
erst fünf, aber ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem sie mich zum
ersten Mal bei meiner Pflegefamilie besuchte. Der Idiot, mit dem sie verheiratet
war, war auch dabei, aber er hat mich kaum angesehen. Sie trug ein weißes
Sommerkleid, und als sie mich umarmte, roch sie sauber, nicht wie diese fette
Sau, meine Pflegemutter. Sie sagte mir, ich solle ein braver Junge sein und
dass sie zurückkommen und mich holen würde, und das tat sie. Ihr Mann war
irgendwo unterwegs, so dass wir beide allein waren, und als wir nach Hause
kamen - noch nie zuvor hatte ich so ein sauberes Haus gesehen -, steckte sie
mich in die Badewanne.«
    Ich
versuchte, meine Stimme frei von Gefühlen zu halten, als ich sagte: »Das muss
schön gewesen sein.«
    »Ich hatte
noch nie so gebadet, es gab Kerzen, und es roch gut. Als sie mir das Haar und
den Rücken wusch, war sie ganz sanft. Sie ließ das dreckige Wasser ablaufen,
füllte frisches nach und stieg zu mir in die Wanne, damit sie mich besser
waschen konnte. Als sie meine blauen Flecken küsste, fühlten sich ihre Lippen
ganz weich an, wie Samt. Und sie sagte, dass sie den Schmerz durch meine Haut
von mir zu ihr wandern lassen würde.« Er warf mir einen raschen Blick zu, und
ich weiß nicht, wie ich es schaffte, aber ich nickte, als sei das, was er
gerade erzählte, das Natürlichste auf der Welt.
    »Sie
erzählte mir, dass ich in ihrem Bett schlafen dürfte, weil sie nicht wollte,
dass ich mich fürchtete. Ich hatte noch nie die Haut eines anderen Menschen an
meiner gespürt - niemand hatte mich je zuvor festgehalten -, und ich konnte
ihr Herz schlagen hören.« Er klopfte sich auf die Brust. »Sie hat gerne mein
Haar berührt, so wie deine Mom deines gestreichelt hat, und sie sagte, es
erinnere sie an das Haar ihres Sohnes.« Meine Hand, die immer noch auf seinen
Locken ruhte, juckte, doch ich widerstand dem Drang, sie fortzuziehen.
    »Sie
konnte keine Kinder mehr bekommen und sagte, dass sie lange habe warten müssen,
bis sie einen Jungen wie mich gefunden habe. In der ersten Nacht hat sie
geweint ... ich versprach ihr, ein guter Junge zu sein.« Er wurde wieder still.
    »Du hast
erwähnt, dass ihr zusammen Verkleiden gespielt habt ... So wie Cowboy und Indianer?«
Es dauerte lange, ehe er antwortete. Ich wünschte, er hätte geschwiegen.
    »Nach
unserem Bad jeden Abend ...«, Scheiße, »schlief
ich in ihrem Bett, sie fühlte sich dann sicherer. Aber wenn er von einer
Reise zurückkam, mussten wir früher baden, und dann half ich ihr, sich
anzuziehen.« Seine Stimme flatterte. »Für ihn.«
    »Da musst
du dich in gewisser Weise verlassen gefühlt haben. Du hattest sie ganz für
dich, doch sobald er nach Hause kam, wurdest du beiseitegeschoben.«
    »Sie
musste das tun, er war ihr Mann.« Er wandte mir sein Gesicht zu und sagte mit
fester Stimme: »Aber ich war etwas ganz Besonderes für sie. Sie sagte, ich sei
ihr kleiner Mann.«
    Ich
begriff.
    »Natürlich
dachte sie, du seist etwas Besonderes - schließlich hatte sie dich
ausgewählt.« Er lächelte. »So wie ich dich ausgewählt habe.« Später, als er
neben mir im Bett lag und sein Kopf auf meiner Brust ruhte, stellte ich fest,
dass er mir leidtat. Es war das erste Mal, dass ich etwas anderes außer
Abscheu, Angst oder Hass für ihn empfand, und es erschreckte mich mehr als
alles andere.
     
    Der Kerl
hat mich entführt, Doc, hat mich vergewaltigt und geschlagen. Ich

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