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Stevens, Chevy

Stevens, Chevy

Titel: Stevens, Chevy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Still Missing
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Augen sind wieder
voller Leben. Trotzdem ist sie nicht mehr derselbe Hund wie vorher. Beim
Spaziergang bleibt sie viel mehr in meiner Nähe als früher, und wenn sie
rumstromert, kommt sie alle paar Minuten zurück, um sich zu vergewissern, dass
ich noch da bin.
    Ich glaube
nicht, dass Mom meinen Hund absichtlich schlecht behandelt hat, und wenn ich
ihr Grausamkeit vorwerfen würde, wäre sie entsetzt. Aber sie hat ihr ein Jahr
lang keine Liebe geschenkt, und meiner Meinung nach hinterlässt das ebensolche
Wunden wie körperliche Schläge. Mom würde nie begreifen, dass der Mangel an
Zuneigung eine Form von Misshandlung ist.
    Nachdem
mein Baby gestorben war, verdrängte ich meine Trauer, indem ich mich auf meinen
Hass auf den Psycho konzentrierte, während er mich zwang, mit der täglichen
Routine fortzufahren, als hätte meine Tochter nie existiert.
    Eines
Tages, nachdem es etwa eine Woche so gegangen war, ging er am späten Vormittag
hinaus, um Holz für den Wintervorrat zu hacken. Ich glaubte, es sei etwa Ende
Juli, aber ich war mir nicht sicher. Zeit bedeutet nur etwas, wenn man ein Ziel
hat. Manchmal vergaß ich, die Markierungen an der Wand anzubringen, aber das
machte nichts - ich wusste, dass ich seit fast einem Jahr dort war, denn als er
die Tür öffnete, nahm ich den Duft heißer Erde und warmer Tannen wahr, derselbe
Geruch, der an jenem Tag in der Luft gelegen hatte, als er mich entführt hatte.
    Während er
Holz hackte, war ich in der Hütte und nähte Knöpfe an seinem Hemd an. Immer
wieder musste ich zum Babykorb hinüberschauen, aber dann fiel mein Blick auf
ihre Decke, die er ordentlich darübergelegt hatte, und ich stach mir in den
Finger anstatt in den Stoff.
    Nach
vielleicht zwanzig Minuten kam er zurück und sagte: »Ich brauche dich
draußen.«
    Das
einzige andere Mal, das er mich um Hilfe gebeten hatte, war damals bei dem
Hirsch gewesen, und als er mir bedeutete, ihm nach draußen zu folgen, fühlten
sich meine Beine an, als wären sie aus Gummi. Ich hielt immer noch das Hemd
umklammert, und die Nadel schwebte in der Luft, während ich ihn anstarrte. Sein
gerötetes Gesicht glänzte unter einem dünnen Schweißfilm - ich konnte nicht
sagen, ob vor Ärger oder vor Anstrengung, aber seine Stimme klang neutral, als
er sprach.
    »Komm
schon, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.« Während ich ihm nach draußen zu
einem Stapel riesiger Tannenholzscheite folgte, sagte er über die Schulter
gewandt: »Pass auf. Deine Aufgabe ist es, die Stücke aufzusammeln, sobald ich
sie geschlagen habe, und sie dort drüben aufzustapeln.« Er deutete auf einen
ordentlichen Holzstapel, der die Hälfte der Hüttenwand verdeckte.
    Ab und zu,
wenn ich in der Hütte war und er draußen, hatte ich das Geräusch der Kettensäge
gehört, aber ich konnte keine frischen Stümpfe am Rand unserer Lichtung oder
irgendwelche Schleifspuren entdecken. Eine Schubkarre lehnte an dem Haufen,
den er gerade hackte, und daraus schloss ich, dass er einen Baum im Wald
gefällt und die größeren Blöcke hierhergekarrt haben musste.
    Der Haufen
war nur etwa vier Meter vom Holzstapel an der Hüttenwand entfernt. Mir schien
es, als wäre es einfacher gewesen, entweder den Baum an der Stelle in kleinere
Stücke zu zerhacken, wo er ihn geschlagen hatte, oder zumindest die größeren
Stücke gleich dorthin zu bringen, wo sie später aufgestapelt werden sollten.
Ähnlich wie bei dem Hirsch hatte ich das Gefühl, dass er nur angeben wollte.
    Seit das
Baby gestorben war, war ich nicht viel draußen gewesen, und als ich das Holz
zur Hüttenwand trug, suchte ich mit Blicken die Erde nach Anzeichen ab, dass
irgendwo vor kurzem etwas vergraben worden war. Ich fand nichts, aber ich
konnte nicht lange zum Fluss schauen, ehe die Erinnerungen an mein Baby auf
seiner Decke in der Sonne mich überwältigten.
    Nachdem
wir etwa eine Stunde gearbeitet hatten, stapelte ich eine Armladung voll auf
und blieb hinter ihm stehen, bis er die Axt geschwungen hatte und es
ungefährlich für mich war, den Stapel aufzuheben. Er hatte das Hemd ausgezogen,
und sein Rücken glänzte vor Schweiß. Er machte eine Pause, um Luft zu holen,
mit dem Rücken zu mir, die Axt auf der Schulter.
    »Wir
dürfen nicht zulassen, dass uns das von unserem Ziel ablenkt«, sagte er. »Die
Natur hat einen Plan.« Wovon zum Teufel redete er? »Aber ich auch.« Die
funkelnde Axtklinge ragte hoch in die Luft. »Es ist besser, dass wir so früh
herausgefunden haben, wie schwach sie

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