Stevens, Chevy
hier, Annie Bear.« Sie zerrte die Kissen vom anderen Sofa und begann,
mitten auf dem Wohnzimmerboden ein Bett zu bauen. Als sie mich mit vor
Aufregung rosigen Wangen fragte, wo ich meine Bettwäsche aufbewahrte, kapierte
ich, worauf ich mich da eigentlich eingelassen hatte. Das übertraf glatt eine
weitere Nacht im Schrank, während der ich dachte: Warum bat
der Einbrecher nichts mitgenommen?
Später am
Abend, nachdem Mom Wayne nach Hause geschickt hatte, als er vorbeikam, um sie
abzuholen, nachdem wir Popcorn, Annie-Bear-Kekse und Eis gegessen hatten,
während wir Vom Winde verweht schauten,
presste Mom ihren schmalen Körper gegen meinen Rücken, und ihre Knie schmiegten
sich in die Mulde meiner Beine. Als ihr Atem mich am Rücken kitzelte und ihr
Arm auf mir lag, starrte ich auf ihre zierliche Hand, die meine Haut berührte,
und begriff, dass es das erste Mal war, dass ich jemanden so nah körperlich an
mich heranließ, seit ich vom Berg zurückgekommen war. Ich drehte meinen Kopf
weg, damit sie meine Tränen nicht auf ihrem Arm spürte.
Mir fällt
gerade ein, Doc, dass ich jedes Mal, wenn ich etwas Schlechtes über Mom sage,
den Drang verspüre, anschließend sofort ihre guten Eigenschaften aufzulisten -
meine Version von auf Holz klopfen. Mom ist nicht nur schlecht,
aber genau das ist das Problem. Es wäre einfacher, wenn ich sie hassen könnte,
weil es genau die seltenen Male sind, in denen sie so liebevoll ist, die die
anderen Zeiten nur umso schwerer machen.
18.
Sitzung
Auf dem
Weg zu Ihrer Praxis bin ich an einer Anschlagtafel vorbeigekommen, und eine
Konzertankündigung ist mir ins Auge gefallen. Ich habe das Plakat genauer betrachtet,
während ich an meinem Kaffee nippte, und dabei einen Teil eines anderen Flyers
entdeckt, der darunterklebte. Irgendetwas daran kam mir bekannt vor, also zog
ich ihn hervor. Und verdammt, Doc, es war ein Flyer mit meinem Gesicht darauf - meinem Gesicht - und darüber die Worte: Maklerin
vermisst. Ich hab auf den Zettel gestarrt, und bis ein Tropfen auf
meiner Hand landete, merkte ich nicht einmal, dass ich weinte.
Vielleicht
sollte ich einen eigenen Flyer entwerfen: Immer noch
vermisst. Das lächelnde Gesicht gehörte der Frau, die ich früher
einmal war, nicht der Frau, die ich jetzt bin. Luke muss denen das Foto gegeben
haben - er hatte den Schnappschuss an unserem ersten gemeinsamen Weihnachtsmorgen
gemacht. Er hatte mir gerade eine wunderschöne Karte geschenkt, und ich hatte
ihn total glücklich angegrinst. Meine Hände haben gezittert, als würde ich ein
Stück Eis statt eines Bechers warmen Kaffee halten.
Der Flyer
steckt jetzt in der Mülltonne draußen vor Ihrer Praxis, aber ich würde am
liebsten zurückgehen und ihn wieder rausholen. Weiß der Teufel, was ich damit
anstellen würde.
Jetzt, wo
der Schock, den der Anblick meines Bildes ausgelöst hat, sich langsam legt,
möchte ich darüber reden, was dabei herausgekommen ist, als ich mich endlich
doch hingesetzt und eine Liste mit allen Menschen in meinem Leben gemacht
habe, wie Sie es vorgeschlagen haben. Jawohl, Ms Freud, ich habe tatsächlich
einen Ihrer Vorschläge ausprobiert. Irgendetwas musste ich schließlich tun -
ich konnte nicht immer nur herumsitzen und mich wegen dieses Einbruchs selbst
verrückt machen.
Mein ganz
privater Ohrwurm, mit dem ich mich in den Wahnsinn treibe, geht etwa so: Mein Wagen
stand in der Auffahrt, also muss der Einbrecher gesehen haben, wie ich mit Emma
weggegangen bin. Wie lange beobachtet er das Haus schon? Seit Tagen, Wochen
oder gar Monaten? Was, wenn es gar kein Einbrecher war?
Dann
verbringe ich die nächste Stunde damit, mir zu sagen, ich sei ein Idiot - die
Cops haben recht, es war nur ein Zufall, ein dämlicher Einbrecher, dem die
Alarmanlage einen Heidenschreck eingejagt hat. Doch dann fängt die innere
Stimme wieder an zu flüstern: jemand beobachtet dich in diesem
Moment. Wenn du auch nur für eine Sekunde unaufmerksam wirst, wird er dich
schnappen. Du kannst niemandem vertrauen.
Wie
gesagt, ich musste etwas tun.
Ich begann
mit denen, die mir am nächsten stehen - Luke, Christina, Mom, Wayne, alle
Familienangehörigen wie Tamara, Jason, Tante Val und ihr Mann Mark -, und ließ
hinter den Namen Platz, um alle Gründe aufzulisten, die der Betreffende haben
könnte, mir zu schaden. Ich kam mir ziemlich bescheuert vor, denn natürlich
gibt es nichts, das ich dort eintragen könnte.
Als
Nächstes erweiterte ich die Liste um alle Leute, die ich
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