Stevens, Chevy
ganz alleine durch.«
Er nickte.
»Das kann ich verstehen.«
»Gut.
Kannst du mir dann bitte helfen, dein blödes
Programm zu verstehen?« Er lachte.
Etwa
zwanzig Minuten später waren wir fertig, und gerade als ich noch überlegte, ob
ich ihn zum Abendessen einladen sollte, sagte er, dass er zurück zum Restaurant
müsste. An der Tür trat er auf mich zu, zögerte eine Sekunde, hob dann die
Augenbrauen und - ganz leicht - seine Arme. Ich ging zu ihm, und er schloss
mich in die Arme. Einen Moment lang kam ich mir vor wie in einer Falle und
wollte mich loswinden, aber ich vergrub meine Nase in seinem Hemd und
inhalierte die Gerüche seines Restaurants - Oregano, frisch gebackenes Brot,
Knoblauch. Er roch nach langen Dinnerabenden mit Freunden, nach zu viel Wein
und Gelächter, nach Glück.
Gegen mein
Haar gepresst, murmelte er: »Es war wirklich schön, dich zu sehen, Annie.« Ich
nickte, und als wir uns langsam wieder voneinander lösten, hielt ich den Blick
gesenkt, bis ich die Tränen weggeblinzelt hatte.
Später
fragte ich mich, ob er zum Abendessen geblieben wäre, wenn ich ihn gebeten
hätte, aber mein Bedauern hielt sich die Waage mit der Erleichterung darüber,
dass ich ihn nicht nein hatte sagen hören. Früher war es mir leicht gefallen,
mich schnell zu entscheiden, aber seit ich den Psycho getötet habe, lebe ich in
einem Zustand ständigen Zögerns. Ich weiß noch, wie ich einmal gelesen habe,
dass ein Vogel, der lange Zeit in einem Käfig gelebt hat, nicht sofort davonfliegt,
sobald man die Tür öffnet. Ich habe das vorher nie verstanden.
Ich
schlief auf dem Bett ein, auf dem ich zusammengebrochen war, nachdem ich den
Psycho umgebracht hatte. Das Pochen meiner Brüste weckte mich auf - meine Milch
war immer noch nicht ganz versiegt. Als Erstes wurde mir bewusst, dass ich die
Schlüssel umklammert hielt. Während ich schlief, hatte ich sie so festgehalten,
dass sie Abdrücke in meiner Haut hinterlassen hatten. Im Halbschlaf war ich
verwirrt, weil ich die Schlüssel hatte, und bekam Angst, der Psycho könnte mich
damit erwischen, also ließ ich sie los. Das Geklimper, mit dem sie auf das Bett
fielen, riss mich aus meinem Dämmerzustand. Er war tot. Ich hatte ihn umgebracht.
Meine
Blase trieb mich ins Badezimmer, aber ich überprüfte die Uhrzeit und stellte
fest, dass ich noch zehn Minuten warten musste. Als ich versuchte, trotzdem zu
pinkeln, war meine Blase wie gelähmt. Zehn Minuten später, kein Problem.
Auf meinem
Weg zurück ins Bett streifte ich mit dem Bein die Babydecke in ihrem Korb. Ich
hob sie auf und drückte sie ans Gesicht, atmete die letzten Spuren ihres Dufts
ein. Meine Tochter war immer noch da draußen - allein. Ich musste sie finden.
Ich zog
ein weißes Kleid an und stopfte den BH mit Stofffetzen aus, die ich in kaltes
Wasser getaucht hatte. Ich schnappte mir ein Paar Latschen, ging hinunter zum
Fluss und suchte das Ufer in beide Richtungen ab, bis mir Bäume oder kahle
Felsbrocken den Weg versperrten. Beim Anblick jedes fahlen Brockens in der
Ferne, der die Größe eines Babys hatte, stockte mir der Atem, bis ich näher herangekommen
war. Ein Stoffbündel, das sich in einem Baum in der Mitte des Flusses verfangen
hatte, ließ meine Knie weich werden, bis ich hinüberwatete und feststellte,
dass es nichts als Lumpen waren. Als ich am Fluss keine Spur von ihr fand,
überprüfte ich jeden Zentimeter der Lichtung nach Anzeichen von frisch
umgegrabener Erde, aber ich konnte nichts finden.
Ich grub
sogar mit bloßen Fingern in der weichen Gartenerde rund um die Hütte - ich
hätte es dem kranken Bastard durchaus zugetraut, dass er sie dort beerdigt
hatte, wo wir unser Essen anpflanzten - und kroch unter die Veranda. Der
einzige Ort, den ich am Ende nicht durchsucht hatte, war der Schuppen.
Die
Sommersonne hatte den ganzen Morgen über dem Metallschuppen gestanden, und als
ich die Tür öffnete, wehte mir der Gestank seines bereits verwesenden Leichnams
in einer übelkeiterregenden Wolke entgegen. Ich riss einen nach Diesel
stinkenden Lumpen von der Werkbank und hielt ihn mir vors Gesicht. Dann
konzentrierte ich mich darauf, durch den Mund zu atmen, und schlich auf Zehenspitzen
um seine Leiche herum. Fliegen, die sich am Tag zuvor auf seinem Leichnam in
den Schuppen gemogelt hatten, umflogen brummend die Plane und machten ebenso
viel Lärm wie der Generator.
Mit
zitternden Händen räumte ich die Gefriertruhe aus. Sie war nicht darin, und in
den Regalen befand sich nichts
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