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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Lamartine hinaus. Auf dem Flur begegnete ihnen die Baronin von Thun. Lamartine blieb stehen.
     Sie blickte auf die Handschellen. »Schade!« sagte sie.
    Lamartine machte eine leichte Verbeugung. »Sie sind die schönste Frau, die ich jemals gesehen habe!« sagte er ernst.
    »Schade!« sagte die Baronin noch einmal. Lecoq zog Lamartine weiter.
     
    Als der Zug anfuhr, wußte Lamartine, daß alles schiefgegangen war. Udo hatte es ihm nicht gedankt, daß er ihn hatte entkommen
     lassen. Lamartine lehnte sich in seinem Sitz zurück und schaute hinaus auf die glatten, sandgrauen Brandmauern der Berliner
     Hinterhäuser, die langsam an ihnen vorüberzogen. Bald würde er in Paris sein – und dann würde er nur noch darauf warten, daß
     man ihn so schnell wie möglich deportierte. Von dem Prozeß würde er nicht viel mitbekommen; er nahm sich vor, alles unumwunden
     zuzugeben – was man ihm auch vorwerfen würde.
    Vielleicht würde er sein Kind noch zu sehen bekommen, bevor er in die Kolonie geschickt wurde.
    Lamartine nahm jetzt schon seine Strafe an. Er war ein Verbrecher geworden.
    Als sie etwas später durch den Grunewald fuhren, erklärte Lecoq, daß sie nur bis Reims reisen würden. Man wollte Lamartine
     dort verhaften, damit in Paris kein Wirbel entstand und der Prozeß ohne Presserummel vorbereitet werden konnte. Lamartine
     war seinem Land dankbar für diese dezente Lösung. In Paris war er mittlerweile zu bekannt, es wäre sicher zu entwürdigenden
     Szenen auf der Straße gekommen – mit Kriminellen, die sich an ihm rächen wollten.
    »Wann kann ich meine Frau sehen?«
    »Wir haben Ihre Frau nicht über Ihr Kommen informiert. Soweit ich weiß, hat sie die Scheidung beantragt. Man muß ihr alles
     nicht unnötig schwermachen, wenn sie auf dem Weg ist, wieder eine gute Französin zu werden.«
    Auch das nahm Lamartine hin. Beide sahen lange aus dem Fenster. Irgendwann fragte Lamartine: »Warum haben Sie Mia getötet?«
    Lecoq antwortete, ohne seinen Blick von den knospenden Bäumen zu lassen, die langsam an ihnen vorüberzogen: »Sie hat sich
     geweigert, mir das Dossier auszuhändigen, deshalb habe ich sie bestrafen müssen.«
    Lamartine dachte über diese Worte nach. Nach einer Weile sagte er ohne jede Bewegung in der Stimme: »Sie haben sie aus Haß
     getötet. Mias Tod nützte Ihnen nichts, es war bloß Haß.«
    Lecoq entgegnete ruhig: »Jetzt, wo Sie es sagen: Ja, das stimmt. Ich weiß, daß es Huren geben muß. Wenn sie aber unverschämt
     werden, kann ich sie nicht ausstehen. Und diese Mia war unverschämt. Sie hat sich aufgeplustert wie eine Freiheitsheldin.
     Nur weil ich Stiebers verdammtes Dossier haben wollte und sie es nicht herausrückte.«
    »Sie war ein Held. Der einzige unter uns«, entgegnete Lamartine ebenso ruhig. »Wir sind nur Getier. Keiner von uns hat ihre
     Größe. Wir tun nur das, was vor unserer Nase liegt. Wahrscheinlich sind die Menschen fast alle so.«
    »Wußten Sie das nicht?«
    Lamartine schüttelte den Kopf. Lecoq schien verblüfft zu sein.
    Später teilten sie sich ein Stück Schwarzbrot, das Lecoq auf dem Bahnhof gekauft hatte, und aßen stumm. Die Handschellen hinderten
     kaum, Lamartine hatte sich daran gewöhnt.
    Hinter Potsdam verlangsamte der Zug seine Fahrt. Auf einem langen Bahndamm kam er zum Stehen. Lecoq stand auf, öffnete das
     Fenster und streckte seinen Kopf hinaus. »Sie werden es nicht glauben!« sagte er vergnügt. Er zog Lamartine an den Handschellen
     zum Fenster.
    Die Spitze des Zuges hielt in einer langgezogenen Kurve, so daß die beiden die nervös fauchende Dampflokomotive sehen konnten.
     Vor der Lokomotive stand eine Kuh auf den Gleisen und muhte laut und anhaltend. Ein Heizer schlug mit einem Stock auf sie
     ein, aber das Tier rührte sich nicht.
    »Und das in Deutschland, wo alles wie am Schnürchen zu laufen hat!« lachte Lecoq.
    Im Zug wurden Türen geschlagen. Fahrgäste redeten aufgeregt durcheinander. Jemand ging von Abteil zu Abteil. Die Tür zum Abteil
     der Franzosen wurde aufgerissen. Ein großer, schwerer Mann von etwa sechzig Jahren trat herein. Er trug Zivilkleidung.
    »Wer von Ihnen ist Monsieur Lecoq?« fragte er.
    Lamartine zeigte auf Lecoq.
    Der Mann packte entschlossen den Koffer Lecoqs – es lag nur einer im Gepäcknetz, Lamartine hatte seine Reisetasche neben sich
     stehen – und schob ihn aus dem offenen Abteilfenster. Draußen nahm ein zweiter Mann das Gepäck auf.
    »Was Sie tun da?« fuhr Lecoq den Eindringling an.
    »Eine

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