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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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kommunistischen Verschwörungen des 19.   Jahrhunderts‹ in zwei Bänden von der königlichen Hofdruckerei gedruckt.
    Wilhelm Stieber hatte im Alter von 35   Jahren schon eine atemberaubende Karriere hinter sich. Er hätte sich auf dem sicheren preußischen Posten ausruhen und weiterhin
     etwas für die Sicherheit der Machtverhältnisse in Berlin tun können. Aber der Agent des Königs schrieb nicht nur seine Erfahrungen
     in einer Art Lehrbuch für Spione auf, er begann sich auch über die Ursachen der von ihm ausspionierten Verschwörungen Gedanken
     zu machen. Und da Stieber ein gründlicher Mensch war, ein Pragmatiker und Analytiker, blieb es nicht aus, daß er in Konflikt
     mit der Macht geriet, der er diente. Ans Ende seines Erfahrungsberichtes hatte er eine Notiz gesetzt: Die Ursache für alle
     Verschwörungen sei nichts anderes als die grassierendeArmut. Beste Mittel gegen Verschwörungen seien mithin bessere Ausbildung und Bezahlung der Arbeiter. Stieber war beileibe
     kein Reformer, er war nur ein sehr gründlicher Polizist – und als solcher wollte er nicht nur Delikte verfolgen, sondern sie
     ein für allemal aus der Welt schaffen.
    Bei aller Staatstreue: Solche Töne wollte man in Preußen nicht vom besten Agenten des Landes hören. Höheren Ortes wurden die
     Ansichten des Polizeidirektors als liberal kritisiert – was damals eines der schlimmsten politischen Attribute war. Stieber
     zog sich die Feindschaft des königlich-preußischen Justizministers Simons zu – ein Hardliner, der Oppositionelle als gewöhnliche
     Kriminelle ansah und hart bekämpfte. Für Simons waren politische oder soziale Begründungen eines Umsturzversuches nichts anderes
     als Beschönigungen. Stieber: »Ich dagegen vertrat die Ansicht, daß wir versuchen müßten, unser Volk durch stetige Verbesserung
     seiner Lebenshaltung gegen die Einflüsterungen solcher Umstürzler zu immunisieren. Wir sollten Verschwörungen und Umsturzversuche
     zwar ersticken, nicht jedoch die ihnen zugrunde liegenden Ideen, soweit sie vernünftig und berechtigt wären. Solche sollten
     wir im Gegenteil im Rahmen von Recht und Gesetz zu verwirklichen suchen, wodurch wir uns einen weit wirksameren Standpunkt
     verschafften als unsere Feinde, die solches auf dem Wege der Gewalt und der Gesetzlosigkeit zu erzwingen suchten.«
    Eine politische Strategie, die dem reformerischen oder sozialdemokratischen Staatsverständnis des 20.   Jahrhunderts entspricht. Damals aber war Stiebers Programm pure Ketzerei, und er verdankte es nur seinen kriminalistischen
     Fähigkeiten, daß Gegner wie Simons es nicht schafften, ihn zu erledigen. Stieber wurde noch gebraucht – auch wenn es nun nicht
     mehr gegen die kommunistische Weltverschwörung ging.
    Er ließ einen Fälscherring auffliegen, der falsche Kassenanweisungen und falsche Münzen in Umlauf brachte. Stieber: »...   weil mir durchaus möglich erschien, daß auch eine Geldfälschung in derart ausgedehnter Dimension verschwörerische Ziele haben
     konnte, nämlich die Verwirrung und Untergrabung von Handel und Wandel in einem Lande, dessen Umsturz beabsichtigt ist.« Dem
     Kriminalisten gelang es, etwa hundert Mitglieder eines weitverzweigten Ringes zu verhaften, indem er dem ersten Verhafteten
     Straffreiheit zusicherte, wenn er alle anderen Täter belastete. Stieber machte den Fälscher zumKronzeugen des Prozesses, eine Institution der anglo-amerikanischen Justiz, die bei uns heute noch umstritten ist. Auch mit
     dieser Strategie war der preußische Polizist seiner Zeit weit voraus: »...   denn es erschien mir stets besser, ein einziger Verbrecher bleibt frei, wenn alle anderen durch seine Aussage dingfest gemacht
     werden, als umgekehrt.«
    Obwohl sein Stern durch die reformerischen Ansichten seiner Schriften schon im Sinken war, rief ihn der Hof 1858 doch wieder zu Hilfe. Die Sache war so prekär, daß der preußische König sie nur Wilhelm Stieber anvertraute. Der Bruder von
     Friedrich Wilhelm IV., Prinz Carl, hatte in jungen Jahren überschwengliche Briefe geschrieben, aus denen man mit etwas schlechtem
     Willen auf eine homosexuelle Veranlagung schließen konnte – nicht nur hochkompromittierend für das Königshaus, sondern auch
     strafbar, falls es zu sexuellen Handlungen gekommen war oder kommen würde. Stieber lockte den Adressaten, einen Geheimen Rat
     Horst Wedeke, der sich in die Schweiz geflüchtet hatte, nach Freiburg im Breisgau und verhaftete ihn dort. Der Erpresser starb
     noch in

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