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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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und wichtige Kontaktleute treffen. Was ist besser als konspirativer Treff geeignet als ein Restaurant? Und glauben
     Sie mir: Stieber hält die Augen auf. Er läßt ganz Paris nach französischen Spionen absuchen – und er hat Erfahrung in diesen
     Dingen. Mehr Erfahrung als wir! Insofern kann ich mir auf meine Idee, im ›Le canard‹ unter seinen Augen ein Agentennest aufgebaut
     zu haben, etwas einbilden   ...«
    »War das auch der Grund dafür, daß Gaston Franc hier gearbeitet hat?«
    »Aber natürlich! Ich dachte, das wüßten Sie längst, Lamartine. Franc war einer unserer wichtigsten Agenten. Während der Belagerung
     – und danach.«
    »Welchen Auftrag hatte er?«
    »Lamartine, Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich Ihnen gleich alles sage?! Zumal Sie sich uns gegenüber ja nicht gerade
     als hilfsbereit erweisen.«
    »Wußten Sie, daß er am Tag seines Todes als Hilfskoch beieinem Empfang im Palais Paiva an den Champs-Elysées angeheuert hat?«
    Lecoq überlegte. »Das ist doch dieses Schloß des großspurigen Schlesiers? Nein! Das muß ein Irrtum sein   ... Niemals wäre er in diese deutsche Höhle gegangen. Es sei denn   ...«
    »Es sei denn, er wollte zu diesem Stieber überlaufen und Sie verraten   ...«
    »Unmöglich, Lamartine, nicht dieser Franc, ein aufrechter Franzose   ...«
    »Monsieur Lecoq, haben Sie Franc ermorden lassen, weil er eine Gefahr für Ihre Abteilung geworden war?«
    Lecoqs Augen wurden ganz klein. Er gehörte offensichtlich zu den Menschen, die jene, die ihnen Steine in den Weg legten, verachteten.
     Lamartine schüttelte sich leicht, als er diese Verachtung spürte: die Verachtung des Machtmenschen gegenüber dem Legitimisten,
     es war die Verachtung, die alle Geheimdienstler den einfachen Polizisten gegenüber empfinden.
    »Selbst wenn ich es getan hätte, Lamartine, könnten Sie nichts gegen mich unternehmen. Das ist es ja, was ich Ihnen die ganze
     Zeit beizubringen versuche: Sie haben nicht nur mich gegen sich, wenn Sie sich weiterhin stur stellen. Diesen Kampf werden
     Sie verlieren!«
    Lamartine erhob sich, ihm war schwindelig geworden. Auch Lecoq sprang auf. »Ich habe mich in Ihnen getäuscht, Lamartine«,
     zischte er. »Ich dachte, Sie wären ein Verbündeter gegen Stieber. Aber Sie sind auch nichts weiter als einer dieser engstirnigen
     Prinzipienreiter, wie sie zu Abertausenden in den Amtsstuben sitzen   ...«
    »Ich muß gehen«, erklärte Lamartine tonlos.
    »Noch eins«, flüsterte Lecoq. »Ich möchte, daß Sie die Hände von dem Fall lassen. Wir haben genug Ärger und können niemanden
     gebrauchen, der uns unsere Arbeit noch schwerer macht. Nach unserem Gespräch muß ich annehmen, daß Sie meinen Leuten gefährlich
     werden können. Im übrigen bitte ich Sie noch einmal eindringlich: Behindern Sie nichtden Gang der Dinge in Sachen Léontine Suétens. Der Fall ist klar, die Dame hat das Fallbeil verdient!«
    Lamartine sah sich nicht in der Lage, etwas zu entgegnen. Aus purer Verlegenheit nestelte er seine zerschlissene Brieftasche
     aus seinem Rock und winkte den Alten heran. »Was bin ich schuldig?« Der Alte sah wieder Lecoq an. Der winkte verärgert ab.
     »Ich bitte Sie, Lamartine! Wir können es uns leisten, einen Kollegen zu bewirten.«
    »Danke!« sagte Lamartine leise. Dann wandte er sich zum Gehen. In der Tür drehte er sich noch einmal um. »Was ist mit dem
     seltenen Tier passiert?« fragte er.
    Lecoq trat an ihn heran und grinste. »Sie glauben doch nicht im Ernst, daß wirklich Rinder aus der Normandie bis Paris gelangen,
     ohne daß die Deutschen sie sich unter den Nagel reißen?«
    Lamartine spürte einen Brechreiz. Er stürmte ins Freie.
     
    An diesem Abend sprach zu Hause wieder keiner mit Lamartine. Auf dem Tisch im kalten Wohnzimmer stand eine Schüssel, in der
     die Schwiegermutter Reste des von Lamartine unentschuldigt versäumten Abendessens gegeben hatte. Er stocherte ein wenig in
     der Schüssel herum und förderte unter einer dicken Milchtunke gekochte Kartoffeln und etwas Kohl zutage. Für einen Moment
     verspürte er Lust, die fleischlose Speise zu kosten. Da tauchte in der Milchsuppe die Kante einer Schwarte auf, und Lamartine
     schob die Schüssel angewidert weg. Er verzog sich in seine Ecke am Fenster, zündete eine fast abgebrannte Kerze an und nahm
     sich seine Zeitung vor.
    Die Schwiegermutter schlurfte herein, Lamartine drehte sich weg. Er hörte sie seufzen, als sie sich über die von ihrem Schwiegersohn
    

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