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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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handelt sich nicht um eine dienstliche Herabstufung, Herr Stieber. Meine Existenz ist
     zerstört. Ich muß damit rechnen, daß man mir den Prozeß macht. Meine schwangere Frau hat mich verlassen – und Sie faseln etwas
     von einer Zurücksetzung.«
    Stieber legte seine Hand auf Lamartines Oberschenkel.Lamartine war das unangenehm, aber er rührte sich nicht. »Das ist eben so«, sagte Stieber. »Machen wir uns doch nichts vor,
     Lamartine. Der Staat, das ist ein großes, starkes Tier, in dessen Fell wir warm und sicher aufgehoben sind. Und wenn wir dieses
     Ungeheuer zu sehr kratzen, dann werden wir zerdrückt wie Flöhe. Das ist nun mal das Schicksal des Individuums. Es trifft nur
     wenige. Die, die es trifft, sollten es aber ertragen. Außerhalb des Felles wären wir augenblicklich verloren. Die Kälte, der
     Hunger, die vielen anderen Lebewesen, die uns nach dem Leben trachten. Nur im Fell des Tieres überleben wir. Der Preis dafür
     ist, daß ab und zu einer von uns zerdrückt wird. Sie, Lamartine, haben Glück gehabt, Sie sind nicht zerdrückt worden. Seien
     Sie dankbar! Verkriechen Sie sich in die nächste Hautfalte des Tieres und danken Sie Gott, daß Sie so glimpflich davongekommen
     sind! Die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß Sie für den Rest Ihres Lebens von dem Ungeheuer nicht einmal mehr bemerkt werden   ...«
    Lamartine, den Stiebers Geschwätz verärgerte, versuchte ruhig zu bleiben: »Ein ekelhaftes Bild, Stieber. Aber es trifft auf
     mich nicht zu: Ich war immer ein pflichtbewußter, sogar unauffälliger Mensch. Ich habe niemanden gekratzt – um in Ihrem Bild
     zu bleiben.«
    »Und ob Sie das getan haben!« fuhr Stieber ihn an. »Sie wollten auf allen Hochzeiten tanzen. Sie dachten, Sie, der kleine
     Kriminalbeamte der Mordkommission, können auf dem Rücken dieses Ungeheuers reiten und ihm die Richtung vorgeben.«
    »Sie reden Unsinn!«
    »Wollten Sie nicht unbedingt den Fall des Toten aus dem Bois de Boulogne aufklären? Alle haben Sie davor gewarnt, die unsichtbare
     Linie zu überschreiten – aber Sie wollten mit dem Kopf durch die Wand. Sie haben sogar geglaubt, Sie könnten mich für Ihre
     Zwecke einspannen.«
    Lamartine stotterte vor Wut: »Sie haben   ... Sie waren es doch   ... Sie haben mich doch dazu überredet, mit Ihnen zusammenzuarbeiten!Sie haben mich doch   ... angeworben für eine Mitarbeit   ...«
    »Sie vergessen, in welcher Funktion ich in Paris war. Ich war Chef der Feldpolizei und damit für die Auskundschaftung des
     Feindes und für die Gegenspionage zuständig. Da war es meine Pflicht, einen Franzosen, der mich benutzen will, umzudrehen
     und von ihm zu profitieren   ...«
    »Gegenspionage? Umdrehen? Wovon reden Sie?«
    »Sie sind eben ein einfacher Polizeibeamter, Monsieur Lamartine. Ich bewundere Menschen wie Sie. Für Sie gibt es klare Kategorien:
     Opfer, Täter, Zeugen. Aber die Welt ist nicht so simpel. Man muß manchmal aus den besten Absichten heraus zum Täter werden
     und sich die Hände schmutzig machen, um Schlimmeres zu verhindern   ...«
    »Haben Sie deshalb Franc umgebracht?«
    »Ich habe ihn nicht umgebracht!« schrie Stieber ihn an. »Er hat sich selbst mit dem Gift vergiftet, das er ins Essen der Diner-Gäste
     manipulieren wollte. Ich habe einen Massenmord gerade noch verhindern können. Und wenn Sie es mit klarem Verstand betrachten:
     Sein Tod wäre gerechtfertigt, wenn ich damit das Leben Hunderter unschuldiger Menschen hätte retten können   ...«
    »Sie hätten ihm den Prozeß machen können, ihn aber nicht vergiften müssen, zumal der Anschlag schon vereitelt war!«
    Stieber sprang auf. »Ich sehe, mit Ihnen ist nicht zu reden. Ich bin gekommen, um Ihnen folgendes mitzuteilen: Ich bin nicht
     mehr bei der Berliner Polizei. Ich muß mein Geld jetzt auf eine andere Art verdienen, man wollte auf meine Dienste verzichten.
     Das heißt aber noch lange nicht, daß ich mir von einem Polizisten – zumal einem aus Paris – alle Unverschämtheiten gefallen
     lassen muß. Sollten Sie weiterhin derartige Behauptungen über mich verbreiten, so werde ich eine Anzeige gegen Sie erstatten.
     Ich werde dafür sorgen, daß Sie des Landes verwiesen werden. Hier weht jetzt ein anderer Wind, Lamartine. Deutschland ist
     kein Flickenteppich mehr mit tausendMärchenstaaten und noch mehr kleinen Herrschern, die sich gegenseitig auf die Füße treten. Wenn Sie ausgewiesen werden, so
     werden Sie über die Grenze abgeschoben und brauchen unser Land nicht

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