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Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman

Titel: Stieber - Der Spion des Kanzlers Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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einem Frachtschiff aus Guyana zurückkommen lassen. Dann sind Sie ein weiser, alter Mann, Ihre schrecklichen
     Schwiegereltern sind endlich gestorben, und Sie können sich mit Ihrer Jeanne jeden Abend vor das Häuschen in der Vendée setzen
     und die Briefe des Sohnes aus Paris lesen. Wie steht’s, Lamartine?«
    »Sie können mich mal, Lecoq!« sagte Lamartine leise und trank das Wasser in einem Zug aus.
    »Ich dachte, wir sind zwei erwachsene Menschen, zwei Polizisten zumal – da muß man sich doch ohne Hauen und Stechen einigen
     können. Oder wollen Sie gar nicht zurück? Wollen Sie etwa bei der deutschen Nutte bleiben? Wollen Sie von dem Geld leben,
     das diese Mia mit ihren drei Löchern macht?«
    »Halten Sie den Mund, Lecoq!« fuhr Lamartine ihn an.
    Im Flur polterte es, die alte Wilke kam zurück. Als sie Lamartine in ihrer Küche erblickte, blieb sie in der Tür stehen und
     schüttelte ungläubig den Kopf. »Wollen Se, daß die Polzei uns det Leben schwermacht?«
    »Sie holen sich selbst die Polizei ins Haus!« entgegnete Lamartine erregt. »Ihr neuer Logisgast ist nach Berlin gekommen,
     um uns auszuspionieren!«
    Die Alte schaute Lecoq an. »Stimmt das?«
    Lecoq blieb ungerührt. »Ich bin gekommen, um ihn zu holen. Er hat in seiner Heimat ein Verbrechen begangen.«
    Die Witwe bückte sich ächzend, zog den kurzen Schürhaken unter der Kochmaschine hervor, steckte ihn in das Spundloch der Ofenplatte,
     hob sie aus ihrer Fassung und warf Holzspäne hinein. Dann zündete sie sich mit einem Streichholz einen Fidibus an und hielt
     ihn solange in den Ofen, bis die Holzspäne zu knistern begannen. Sie legte die Ofenplatte zurück und stellte die Wasserkanne
     auf. Dann rieb sie sich die Hände an ihrer Schürze trocken.
    »Nehmen Se ihn nur mit!« seufzte sie. »Ihr Landsmann hat uns nur Ärjer einjebracht!«
    »Nein!« sagte Mia laut. Sie stand barfuß in der Küchentür. Über dem Nachthemd trug sie ein gehäkeltes Schultertuch.
    Die Alte schrie ihre Tochter an: »Du hast den Kerl in dein Bett jeholt, obwohl ich ihm die Tür jewiesen hab. Wahrscheinlich
     haste nich mal abkassiert!«
    »Genau. Und du wirst ooch nischt kassieren. Er ist mein Mann!«
    »Dein Mann? Daß ick nich lache! Der wird heute noch hier rausfliejen, und wenn er noch eenmal in meiner Wohnung aufkreuzt,
     schlag ick ihm ’n Loch in de Schädeldecke.« Die Alte ergriff wieder den Schürhaken und hob ihn zitternd über den Kopf.
    Lamartine wandte sich an Mia: »Ich möchte dir keinen Ärger machen. Heute noch suche ich mir eine andere Unterkunft!«Mias Augen funkelten, sie packte die Alte an ihren zerzausten Haaren und zog sie auf den Flur. Dort schlug sie ungeschickt
     auf die Witwe ein.
    Lecoq sprang auf, wollte etwas sagen, machte einen Schritt auf die Küchentür zu, setzte sich dann aber wieder hin. Draußen
     flüchtete die Alte schreiend in ihr Zimmer und sperrte die Tür hinter sich ab. Mia betätigte die Wasserpumpe und trank glucksend.
     Dann trat sie wieder in die Küche. Sie blies sich die Strähnen aus der Stirn und wandte sich bebend an Lecoq. »Sie verlassen
     auf der Stelle unsere Wohnung!«
    »Aber Ihre Mutter   ...« protestierte Lecoq.
    »Die Olle ist nich bei Sinnen – dat merken Se doch!« unterbrach ihn Mia. »Oda soll ick die Jendarmen rufen!«
    Lecoq sprang auf und lief hinaus. Man hörte, wie er hinten rumorte – anscheinend packte er seine Kleider zusammen. Mia legte
     ihren Kopf an Lamartines Brust. »Keene Angst. Bei mir biste sicher!«
    Lecoq klopfte an die Zimmertür der alten Wilke. Die Witwe schrie erst, sie wollte ihre Ruhe haben. Und dann, lauter und bedrohlicher:
     Sie werde heute noch zur Polizei gehen und sie bitten, den Stall auszumisten.
     
    Lamartine gab an diesem Morgen ein weiteres Telegramm an Jeanne auf. »Sorge dich nicht und laß dir nichts einreden! Bald habe
     ich unsere Angelegenheiten geordnet und komme zu euch zurück. Achte gut auf unser Kind, es ist alles, was wir haben. Dein
     Mann.«
    Als er dem Postbeamten in der Potsdamer Straße – nicht weit von der Stelle entfernt, an dem er am Abend zuvor Mia begegnet
     war – das Geld für sein Telegramm über den Schaltertresen schob, hatte Lamartine das Gefühl, Verrat zu begehen.
     
    Lamartine stöberte Udo in der Bahnhofswirtschaft des Anhalter Bahnhofs auf. Er ließ für sich einen Kakao und für den ausgekühlten
     Udo einen Grog kommen. Der Strichjunge tranksein Getränk zitternd und legte dabei beide Hände um das heiße

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