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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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transnormaler Ereignisse in einer völlig transnormalen Welt verloren. Die Tatsache, daß er sich nicht daran erinnern konnte, wann es das letzte Mal den ganzen Tag geregnet hatte, war es letzten Endes, die ihn dazu brachte, ein Tagebuch anzufangen.
    In der Zwischenzeit aber lag er im Bett und sah sich die Muster an, die der Regen auf die Fensterscheiben malte, und er fragte sich vielleicht zum zehntausendstenmal, warum er noch am Leben war.
    Er sah zu Liz hinüber und betrachtete ihr Gesicht in dem grauen Licht – ein Gesicht ohne Sorgen und Falten, durch die Zeit eingefroren. Das Gesicht eines Kindes. Eines toten Kindes … In ihm war etwas, das wollte weinen …
    Liz rührte sich. Das Kind stand als Frau wieder auf.
    „Tut mir leid wegen gestern abend“, sagte er. „Es muß dir weh getan haben.“
    „Nicht sehr. Außerdem bin ich ja zur Zeit dein Eigentum. Du kannst machen, was du willst, oder?“ Die Worte waren hart, aber die Stimme war weich. Liz hatte das Gefühl, als stelle sie nur eine Tatsache fest.
    Die Feststellung löste jedoch in Greville eine innere Explosion aus.
    „Niemand gehört irgend jemandem“, fuhr er sie an. „Und du ganz besonders nicht – du bist nicht mein Eigentum. Wenn du also diese Haustiermentalität ablegen könntest, dann stehen wir jetzt auf und kümmern uns um das Frühstück.“
    Liz blieb ungerührt. „Woher hast du die Narbe auf deinem Bauch da?“
    „Das ist eine alte Bajonettwunde. Die einzige Methode, wie ich aus einem Kohlenbergwerk herauskommen konnte, war, mich tot zu stellen. Jemand hat in mich hineingestochen, um ganz sicherzugehen. Seine Methode hat nicht gewirkt … Also, Frühstück.“
    Es war ein fürstliches Frühstück. Greville gelang es, Schinken, Eier und selbstgemachtes Brot aufzutreiben. Er hatte sogar noch ein Glas Kaffee-Extrakt.
    Liz war entzückt. „Wo hast du denn das ganze Zeug her?“
    „Ich habe Verbindungen“, sagte er kurz. „Ich habe dir doch gesagt, daß die Lage in diesem Teil der Welt noch nicht gar so schlimm ist.“
    Sehr zu seiner Überraschung kam der Regen noch immer mit unverminderter Stärke herab, als das Frühstück fertig war.
    „Was möchtest du heute machen?“ fragte er.
    „Nicht viel.“
    „Das paßt mir ausgezeichnet. Ich habe noch ein oder zwei Dinge zu erledigen, aber dazu brauche ich nicht lange. Während ich damit beschäftigt bin, kannst du das Haus aufräumen.“
    Er zog sich Ölzeug an und ging hinaus, um die sechs Hühner zu füttern, die er gefangen und halbwegs gezähmt hatte. Als er das erledigt hatte, goß er mit geiziger Vorsicht etwas Benzin in den Tank seines Generators. Dann füllte er die Autobatterien nach, die für sein Licht sorgten.
    Als er in das Haus zurückkam, war das Bett gemacht und das Geschirr gespült. Liz hatte herausbekommen, wie die Zweitaktpumpe in der Küche zu bedienen war.
    „Sparsam mit dem Spülmittel“, warnte Greville, als er die Reste ihrer Tätigkeit im Ablauf sah. „Das gehört zu den Dingen, die sehr schwer zu bekommen sind!“
    Es regnete noch immer, und er wußte nicht, was er tun sollte. Wenn er allein gewesen wäre, dann wäre die Antwort einfach gewesen. Er hätte sich in ein Buch vertieft und wäre damit zufrieden gewesen, bis der Hunger ihn davon löste. Greville mochte Bücher sehr. Die Bücher von anderen Leuten. Bücher, die er selbst gern geschrieben hätte. Er las sie mit Begeisterung, Vergnügen, Abscheu, Schuldgefühlen, Wonne, Ungeduld und Neid. Ganz gleich, ob sie gut, schlecht oder mittelmäßig waren, er las sie immer mit Neid, denn sie waren die Kinder, die er nie gehabt hatte.
    Hauptsächlich las er Romane – Geschichten aus einer Welt, von der man jetzt glauben konnte, sie hätte nie existiert. Sein bestgehaßtes Buch war ein altmodischer Roman namens Platz an der Spitze. Er hatte irgendwie das Gefühl, daß es so etwas wie ein fotografisches Negativ von manchen Aspekten seines früheren Lebens war, so wie er es früher geführt hatte. Ein Negativ deshalb, weil er eigentlich niemals den Platz an der Spitze wirklich gewollt hatte.
    Pauline aber hatte ihn gewollt, und so hatte er sich eine Zeitlang als ehrgeiziger Aufsteiger verkleidet.
    Greville hortete und suchte Bücher auf die gleiche Art, wie manche Transies noch immer Geld suchten und horteten. Keines von beiden, dachte er, würden in einer transnormalen Welt viel nützen. Das Bedürfnis jedoch war zwanghaft. Außerdem waren Bücher fast so gut wie Cognac. Sie boten eine Fluchtmöglichkeit

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