Stiefkinder der Sonne
an, und bei ihnen war der Kater nicht ganz so schlimm. Außerdem waren sie erheblich leichter als Cognac zu finden. Schon bald würde der Cognac ausgehen, aber der Nachschub an Büchern war noch für eine lange Zeit gesichert. Nur die Ratten fraßen sie; und obwohl sie zum Feuermachen ganz gut waren, taugten sie als Brennstoff nicht viel …
Greville war versucht, Liz zu ignorieren und es sich mit einem Buch gemütlich zu machen, sie zu behandeln, als sei sie nicht da. Der einzige Haken an dieser Taktik war das letztere. Er konnte sie nicht so behandeln, als sei sie nicht da. Er hatte lange genug allein gelebt, um die Anwesenheit von jemand anderem genau und schmerzhaft zu spüren. Außerdem hatte er eigentlich zu der Anzahl ihrer gestrigen Vergewaltigungen selbst noch eine beigesteuert.
„Ich zeige dir wohl besser, wo alles ist“, sagte er schließlich. „Dann brauchst du nicht wegen jeder Kleinigkeit zu mir gelaufen zu kommen.“
Die Speisekammer hatte Liz schon entdeckt. Sie war erstaunlich gut mit Konserven, Schinken, Eiern und sogar frischer Butter ausgestattet.
Greville führte Liz in das Wohnzimmer, warf einen Teppich zurück und hob eine Falltür an.
„Der Weinkeller eines gewissen Augustus Rowley, Träumer, Philosoph und Literat“, verkündete er.
Liz lachte. „Der an Müdigkeit und tiefer Melancholie gestorben ist.“
Greville war überrascht. „Wer hat dir das gesagt?“
„Du selbst – gestern morgen, als wir bei Cleopatra’s Needle gefrühstückt haben … Eigentlich komisch. Das scheint schon jetzt ein Jahr her zu sein.“
Seltsamerweise erinnerte sich Greville nicht daran, aber er freute sich darüber, daß sie sich noch daran erinnerte. „Zeit ist subjektiv“, sagte er trocken. „Ich hätte gedacht, daß du sie als verschiedene Nummern her’ definiert hättest.“
„Ich dachte, du hast es nicht gern, wenn du mit mir über das Bumsen sprichst.“
„Da hast du auch wieder recht. Jetzt komm und schau dir an, was es da im Keller alles gibt.“
Im Keller gab es eine bunte Mischung von Vorräten, die Greville geduldig und manchmal unter größter Gefahr in einer langen Zeit angesammelt hatte. Da waren Stapel von Konservendosen – meistens Suppe, Gemüse und Obst, aber auch einige Büchsen Corned Beef.
Außerdem waren da noch zwei fünfundvierziger Revolver, ein kleiner 38er und eine uralte 303er-Flinte sowie Kisten voll Munition. Da gab es auch mehrere Handgranaten und einen Stapel von vielleicht dreißig Fünf-Gallonen-Kanistern Benzin und ein sehr großes Faß Heizöl. Da gab es Hosen und Jacken von verschiedenen Mustern und Größen, Hemden, Schuhe, Socken, Bierflaschen, Wein, Schnaps, Rattenfallen, eine Dose Strychnin, ein kleines astronomisches Fernrohr, Baumwollfäden in Ballen, Wollknäuel, einige Ballen bedruckten Stoffs, noch mehr Bücher, ein Erster-Hilfe-Kasten und eine Flasche Chloroform, ein Sack Kartoffeln (die zum Teil schon keimten), eine Kiste voll Seife und ein paar Blechschachteln voll Zigaretten.
„Das ist wunderbar“, seufzte Liz und schaute sich die Schätze an. „Da hast du bestimmt ganz schön Mühe gehabt, bis du das alles zusammen hattest.“
„Die Eichhörnchenmentalität“, sagte Greville. „Du wirst es nicht glauben, aber das einzige, wofür ich jemanden erschießen mußte, war das Fernrohr. Ich habe es aus den Resten eines Trödelladens in Norwich herausgeholt. Ein alter Mann hat mich gesehen und sofort mit einem Schrotgewehr losgeballert. Ich konnte aus dem Laden nicht raus, wenn ich nicht zurückschoß. Er hat mich erwischt, und das hat so weh getan, und ich bin so wütend geworden, daß ich ihm beinahe den Kopf heruntergeschossen hätte … Weißt du, Leute sterben für die komischsten Sachen. Der Witz dabei ist, daß ich das Fernrohr eigentlich überhaupt nicht gewollt habe. Das war nur noch eine Sache mehr, die zu schleppen war.“
„Hast du es schon einmal benutzt?“ fragte sie.
„Nein.“
„Dann benutzen wir es mal eines Nachts, wenn der Himmel klar ist. Du baust es auf, und ich kann mir den Mond ansehen.“
„Wozu denn, um Himmels willen?“
„Damit der alte Mann in Norwich nicht umsonst gestorben ist“, sagte sie einfach.
Sie brauchten nicht lange, um die Besichtigungstour durch Grevilles Haus abzuschließen. Liz sah sich seine Bücher an, und dann entdeckte sie seine große Schallplattensammlung und den Zwölf-Volt-Plattenspieler, der auf einer seiner früheren Plünderungsexpeditionen zu den größten Erfolgen
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