Stiefkinder der Sonne
ein. Die Straßensperre war ziemlich dürftig – nur ein Anhänger von einem Bauernhof. Außerdem war an der rechten Seite noch ein breiter Grasstreifen; und wenn er genau auf die drei Männer zufuhr, die im Schein seiner Lichter auf dem Gras standen, hatte er eine gute Chance durchzukommen.
„Jetzt!“ brüllte er.
Der erste Lauf hatte nichts als einen entfernt menschlich klingenden Schrei zur Folge, aber bei ihrem zweiten Versuch hatte Liz mehr Glück. Der Suchscheinwerfer erlosch.
Greville trat das Gaspedal ganz durch und fuhr genau auf die drei Männer zu. Sie fingen an zu schießen, aber die Autoscheinwerfer mußten sie beim Zielen gestört haben. Der Lieferwagen schwankte gefährlich, als er auf die Grasnarbe kam. Dann kam ein schwerer Schlag und eine Erschütterung, als sie zumindest einen von ihnen erwischten. Dann waren sie hindurch.
Um die Sache abzurunden, feuerte Liz noch zwei Schüsse nach hinten, aber sie trafen wahrscheinlich nichts. Von da an herrschte wieder Dunkelheit. Greville schaltete sofort seine Scheinwerfer wieder aus und fand den Weg zur Straße zurück fast instinktiv.
„Jetzt dauert es nicht mehr lange“, sagte er. „Vorausgesetzt, wir kommen in einem Stück durch die Stadt. Hier in diesem Teil der Welt ist es noch nicht ganz so schlimm, und die Leute sind noch nicht ganz und gar verzweifelt. Die wirkliche Gefahr droht nicht von den ortsansässigen Leuten, sondern von den Nomaden.“
„Die Straßensperre sah aber wie eine ortsansässige Sache aus“, bemerkte Liz.
„War sie auch. Aber sie haben es nicht ernsthaft versucht, und außerdem hatten sie nicht viel Erfahrung, sonst wären wir nicht hier.“
Liz gähnte. „Du erfüllst mich beinahe mit Optimismus.“
Er lachte grimmig. „Manchmal überzeuge ich mich sogar selbst.“
Sie kamen ohne weitere Schwierigkeiten durch Thetford. Greville war nun in seinem Revier und kannte sich gut genug aus, um durch die engen Straßen so schnell fahren zu können, daß die Gefahr eines Überfalls nicht mehr drohte. Das einzige, was sie noch zu befürchten hatten, war eine vorbereitete Straßensperre; glücklicherweise trafen sie auf keine.
Als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, schaltete er wieder die Scheinwerfer an, und Liz sah, daß sie auf einer glatten, geraden Straße fuhren, an deren Seiten hohe Bäume standen.
„Thetford Chase“, sagte Greville. „Das war früher mal ein Nationalpark oder so was. Es gibt hier unheimlich viele Rehe. Irgendwann nehme ich dich mal mit auf die Jagd.“
„Es lebe das Landleben.“
„Es hat einiges für sich.“
Ein paar Minuten später kamen sie in das Dorf Ambergreave. Greville drückte lange auf die Hupe. Liz wurde aus ihrem Halbschlaf aufgeschreckt.
„Warum hast du das denn jetzt gemacht, zum Teufel?“
„Ein lokales Signal“, erklärte Greville. „Hat doch keinen Sinn, sinnlos Schüsse zu riskieren. Es besteht immerhin die Möglichkeit, daß jemand in Versuchung kommt.“
Liz war überrascht.
„Meinst du damit, sie greifen dich nur deshalb nicht an, weil du hier in der Gegend wohnst?“
„Das ist keine eherne Regel. Aber wie ich dir schon gesagt habe, sind wir hier in der Gegend noch nicht ganz bis zum Kannibalismus zurückgesunken.“
Ambergreave war ein langgestrecktes Dorf. Sie brauchten für die Durchfahrt länger als für die Fahrt durch die Stadt Thetford, und das Dorf wirkte völlig verlassen. Kurz darauf bog der Lieferwagen von der befestigten Straße ab. Greville schaltete herunter in den zweiten Gang und fuhr mit dem Auto vorsichtig über einen schmalen, holprigen Weg, der bald breiter wurde und leicht zum Ambergreave-See abfiel, einer großen Wasserfläche, ruhig wie ein Spiegel, in dem sich der Mond wie eine gelbe Laterne spiegelte.
Greville fuhr am Seeufer entlang bis zu einem kleinen Anlegesteg, an dem er das Auto anhielt und den Motor abschaltete. Die Scheinwerfer aber ließ er an, und Liz sah, daß sie ein kleines Ruderboot beleuchteten.
Sie stieg aus dem Auto aus, streckte sich vorsichtig und sah Greville zu, wie er zu dem Boot hinunterging. Er legte sich bäuchlings auf den Steg und steckte seine Arme in das Wasser. Er tastete offensichtlich nach etwas an der Seite des Boots.
„Was machst du denn da?“
„Ich entschärfe unser Transportmittel“, gab er lakonisch zurück.
Kurz darauf stand er wieder auf und zeigte ihr seine Hände. Er hielt in jeder eine Handgranate, und von jeder hing ein langer Draht, der sie beide verband.
„Wenn uns
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