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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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Hand hatte ihren Hals schon erreicht.
    „Es ist gleich“, sagte sie leise. „Du kannst machen, was du willst.“ In ihrer Stimme war keine Furcht.
    Greville lachte unsicher. Der Bann war gebrochen. „Es regnet immer noch“, sagte er. „Um nichts in der Welt kann ich mich erinnern, wann es das letzte Mal so lange geregnet hat … Komm, stehen wir auf.“
     

13
     
    Greville machte die erste Eintragung in sein Tagebuch spät an diesem Abend, als der Regen aufgehört hatte und Liz sich, nachdem sie sich in einer wahren Musikorgie satt gehört hatte, Haushaltspflichten zuwendete, das Bett machte und die Überreste eines späten Essens wegräumte. Das Tagebuch war ein altes Schulheft, das Greville in einem verlassenen Haus gefunden hatte. Auf dem Umschlag stand in ungelenker und verblaßter Schrift, daß es sich um das Englischheft eines gewissen Robert Andrew Cherry, Alter elf Jahre, handelte. Robert Andrew Cherry, der ohne Zweifel längst tot war, hatte entgegenkommenderweise auch das Datum vermerkt, an dem er sein Englischheft bekommen hatte: am dreißigsten April 1986.
    Was auch immer dem Jungen geschehen sein mochte, es mußte bald nach diesem Datum geschehen sein, denn er hatte nur drei kurze Aufgaben geschafft. Davon war eine ein Aufsatz mit dem Titel Was ich werden will, wenn ich erwachsen bin. Dieser Aufsatz war es gewesen, der Greville dazu veranlaßt hatte, das Heft zu behalten.
    „Wenn ich erwachsen bin“, hatte Robert Cherry geschrieben, „möchte ich ein Mann sein, der Geschichten schreibt. Ich würde gute Geschichten schreiben. Ich würde keine Kindergeschichten schreiben. Ich würde Geschichten schreiben, die von vielen Erwachsenen gelesen werden. Dann wäre ich berühmt. Ich würde mir ein rotes Auto kaufen und ein großes Haus, und meine Frau wäre sehr stolz auf mich, weil ich berühmt bin. Ich würde Geschichten über Raumschiffe und ferne Planeten schreiben. Manche von meinen Geschichten würden verfilmt werden. Dann wäre ich reich und müßte nicht mehr arbeiten. Dann würde ich meinen Vater bei mir wohnen lassen. Er müßte im Garten arbeiten. Dann hätte er zuviel zu tun, um wegen des Todes meiner Mutter traurig zu sein. Ich würde meinem Vater auch ein rotes Auto kaufen, aber er hat keinen Führerschein.“
    Greville hatte das Buch behalten, weil Robert Cherry, ohne Zweifel ein direktes oder indirektes Opfer des Schönwetterselbstmords, auch der Geist von Grevilles eigener Kindheit war. So war es früher bei ihm gewesen …
    Nun sollten die leeren Seiten von Robert Cherrys Englischheft endlich einer Bestimmung zugeführt werden. Greville überlegte sich, ob er den Aufsatz und die beiden Rechtschreibübungen, die ihm folgten, herausreißen sollte, entschied sich aber dagegen. Er drehte statt dessen das Heft um, so daß er hinten anfing.
    Er suchte sich einen Stift und schrieb nach einigen Sekunden der Überlegung über die erste Seite: „Für Robert – der es besser gewußt hätte.“
    Dann machte er seine erste Eintragung:
    „8. Juli 1995 (ungefähr). Jedenfalls Tag zwei. Gestern habe ich – völlig betrunken – ein Rendezvous mit Pauline auf der Chelsea-Brücke gehabt. Außerdem habe ich die Hunde um ein Frühstück namens Liz betrogen.
    Das Mädchen kann, wie sie es ausdrückt, nichts als vögeln beziehungsweise bumsen. Darin hat sie erhebliche Erfahrung. Sie will ihre Zwillingsschwester suchen gehen; ich habe den Verdacht, daß ich mein Bestes tun werde, um sie davon abzuhalten … Was war es doch, was dieser überschätzte Dichter einmal gesagt hat? ‚Lehr uns, zu lieben und nicht zu lieben. Lehr uns das Stillsitzen.’
    Mit dem Stillsitzen, das weiß ich nicht so genau, aber den ersten Teil, den hätte ich gern. Gestern abend habe ich Liz ‚gevögelt’ – zum ersten Mal überhaupt seit einer langen Zeit. Heute abend hätte ich sie beinahe umgebracht. Liz hat Leben, und vielleicht bin ich darauf neidisch. Was auch immer mit ihr geschieht, so habe ich auf jeden Fall den billigen Trost, daß sie ohne mich schon tot wäre …
    Es regnet schon den ganzen Tag. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann es das letzte Mal den ganzen Tag geregnet hat. Das ist der Grund, warum mir im Kopf der verrückte Gedanke herumspukt, daß Geschichte verlorengeht. Meine Geschichte. Der Regen hat mir klargemacht, daß ich noch immer voller Eitelkeit stecke. Ich möchte nicht, daß meine Geschichte verlorengeht. So sieht mein Versuch aus, Unsterblichkeit zu finden – mit Hilfe des Regens und

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