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Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
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gesund.
    1993 löste sich die Zweite Gemeinde London auf. Das gleiche geschah mit allen ähnlichen Organisationen auf den britischen Inseln, in Europa und in der ganzen Welt. Matthew Greville, einer der hundertfünfzigtausend Menschen, die noch auf den Inseln lebten, die früher Großbritannien genannt worden waren, war wieder ein freier Mann – und ernährte sich von der Hand in den Mund.
    Der Schönwetterselbstmord – nun als Resultat der vorausgegangenen drei Jahre sehr intensiver Omega-Strahlung weniger selektiv – hatte die Hohen und die Niedrigen, die Intellektuellen und die Subnormalen, die Starken und die Schwachen, die Alten und die Jungen gleichermaßen dezimiert. Zum Schluß hatte er als Garanten der Zukunft der Menschheit nur die emotionell Gestörten übriggelassen – die Spinner, Misfits, Fanatiker, Besessenen, Genies, Idioten, wahnsinnigen Gewaltverbrecher, Heiligen und Sünder, die in der gewöhnlichen Welt nie Frieden oder Glück oder Verständnis gefunden hatten.
    Jetzt gab es keine gewöhnliche Welt mehr. Das Gewöhnliche, Durchschnittliche, Normale – als Existenzgrundlage, als Verhaltensmuster – war veraltet. Es war keine allgemein akzeptierte Ethik übriggeblieben – außer dem persönlichen Überleben –, nach der sich alle richten würden. Alles, was blieb, war … transnormal …
    1994 ließ die Intensität der Omega-Strahlung leicht nach. Es gab jedoch keine Wissenschaftler mehr, die die Intensität hätten messen oder feststellen können, ob die Sonnenflecken, die sie erzeugten, noch aktiv waren.
    1994 herrschte das Chaos.
     

3
     
    7. Juli 1995 (vielleicht). Zwei Uhr dreißig morgens – durchschnittliche Greville-Zeit. Denn nun, da die Welt starb, da es keine Kalender, Zeitungen oder Arbeitstage gab, war die Zeit wunderbar subjektiv. Man konnte jeden Tag zum Sonntag erklären, dachte Greville, und jede Nacht zur Neujahrsnacht … Er war betrunken, und er wußte, daß er betrunken war, und es war ihm völlig egal …
    Außerdem gab es da noch ein Jubiläum zu feiern. Die Befreiung des Matthew Greville, ehemaliger Werbefachmann in dieser Stadt. Nein, ein doppeltes Jubiläum! Der Nachruf auf Pauline durfte nicht vergessen werden.
    Liebe, tote Pauline. Auch eine Prostituierte, aber ehrlicher. Auch eine Mitreisende in die Ewigkeit. Aber irgendein Bastard hatte ihr auf dem Zug in den Jüngsten Tag einen Platz reserviert.
    Wer war dieser Bastard?
    Antwort: Matthew Greville, der Poet der vierfarbigen Werbung, der ehemalige Scheißdreck produzierende Trickbetrüger des Börsenviertels. Der Shakespeare der bunten Magazine, der Goethe des bunten Teils im Sunday Times Magazine, der da Vinci der Frauenzeitung.
    Wo aber waren sie jetzt, die Sunday Times, die Frauenzeitungen und die Pracht von House and Garden?
    Im Dunkel verschwunden, ohne Ausnahme …
    Ach, Dunkelheit, Dunkelheit, Dunkelheit im hellen Schein der Sonne …
    Die Luft war warm und der Himmel eine finstere Kuppel, die von tausend Sternen durchlöchert war, und die Themse wand sich noch immer wie eine fette Schlange durch die Knochen Londons aus Stahl und Beton.
    Matthew Greville saß in einem Lieferwagen auf der Chelsea-Brücke. Die Stoßstange des Wagens berührte genau dort das Geländer, wo vor zehn Jahren ein anderes Auto dagegen geprallt war. Das andere Auto hatte beim Aufprall eine Geschwindigkeit von ungefähr achtzig Meilen in der Stunde gehabt. Seit ungefähr zwei Stunden hatte er die Gesellschaft von Geistern genossen – und Cognac, Salignac ’85, ein ausgezeichneter Jahrgang …
    „Habe ich dich jemals geliebt, Pauline?“ fragte er laut. „Habe ich dir jemals jene Liebe gegeben, die alles gibt und nichts erwartet?“
    Die Stille war eine Antwort, präzise und sofort.
    „Ich war geil“, sprach er weiter. „Ich war geil, du warst geil, er, sie, es waren geil … Asche zu Asche und Lust zu Lust – die grundsätzliche Philosophie einer Welt, in der wir Unterarmdeodorants, Mundgeruchpillen, Gin und Präservative gebraucht haben, bevor wir in moderner demokratischer Lust zusammen schwitzen konnten.“
    Ein Schluckauf schüttelte ihn. „Weißt du, was ich gemacht habe, seit ich dir deinen letzten Orgasmus verschafft habe, mein Schatz?“ Er hob die Cognacflasche, um in der Instrumentenbeleuchtung zu überprüfen, wieviel noch darin war, und nahm dann noch einen Schluck. „Wenn du mir versprichst, daß du nicht lachst, erzähle ich es dir.“
    Die Stille war keine fröhliche Stille. Der Geist war deutlich

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