Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stiefkinder der Sonne

Stiefkinder der Sonne

Titel: Stiefkinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edmund Cooper
Vom Netzwerk:
zahlreichsten von allen waren die Ratten. Mit dem Verschwinden des normalen Menschen vergrößerte sich ihre Anzahl phänomenal. Sie neigten dazu, nicht in Gruppen oder Rudeln, sondern in Schwärmen zu jagen. Ein Schwarm Ratten reichte aus, um einen Hund zum Umdrehen zu bewegen und ließ Katzen fauchend sichere Zuflucht suchen.
    Das Gesetz des Großstadtdschungels war fast ein geschlossener Kreis. Fast, aber nicht ganz. Die Hunde nämlich jagten Katzen, Ratten und – widerwillig – einander; die Katzen jagten Hunde, Ratten und – weniger widerwillig – einander; die Ratten jagten Hunde, Katzen und – mit größtem Spaß – einander. Sie alle aber jagten den Menschen. Besonders in der Nacht, in der die Tiere instinktiv erkannten, daß sie im Vorteil waren.
    Die Ratten mußte man am meisten fürchten; da sie sich nicht vor eigenen Verlusten fürchteten, konnte ein Schwarm von ihnen jeden und jedes Lebewesen zu jeder Zeit angreifen. Ein entschlossener Mann mit einem Schrotgewehr hatte eine reelle Chance, sich den Weg aus einem Angriff von Hunden freizuschießen. War er jedoch von einem Rattenschwarm in die Enge gedrängt, dann war es die beste Politik, das Gewehr auf sich selbst zu richten.
    Trotz alledem lebten noch immer Gruppen von Transnormalen – oder sogar einzelne – in den Städten und liefen darin umher. Ihre Zahl wurde durch die Zunahme der Tiere, die sie jagten, ständig verringert. Für viele Transnormale aber war die Stadt das einzige Gebiet, das sie wirklich kannten. Die Türme aus Beton und Stahl, die stillen Straßen, die leeren Fenster und die kalten Kamine ihrer einst normalen Umgebung verliehen ihnen eine Illusion von Sicherheit. Bis die Nahrung ausging, bis es kein Wasser mehr gab oder bis die Ratten kamen.
    Auf dem Land waren die Veränderungen nicht weniger drastisch, aber anders. Trotz der Tatsache, daß England ein hochindustrialisiertes Land gewesen war, waren vier Fünftel des Bodens noch immer für die Landwirtschaft verwendet worden – bis in die frühen achtziger Jahre hinein. Als aber der Schönwetterselbstmord all seine Opfer gefordert hatte, begannen sich die ländlichen Gegenden Englands rapide zu ändern.
    Der Wind legte Zäune um, und es war niemand mehr da, der sie wieder aufgerichtet hätte; die tiefliegenden Felder wurden überschwemmt, und niemand machte die Gräben frei, um sie zu entwässern. Tiere trampelten die Hecken nieder, im Winter brach das Eis die Landstraßen auf und machte sie uneben; Nesseln und Farne, Winden und wilder Hopfen wuchsen auf den Wegen; kräftige junge Bäume begannen mit der langsamen Veränderung von Weideland zu Wald; in den Bauernhäusern fielen Kamine um, Dächer stürzten ein, und Efeu suchte flüsternd nach einem Halt an staubigen Fensterrahmen.
    Der größte Teil der Milchkühe – sanfte und dumme Maschinen zur Milchproduktion – war nicht in der Lage, ohne die symbiotische Pflege ihrer Herren auszukommen. Die Bullen aber – es sei denn, sie waren angekettet und so zu einem elenden Hungertod verurteilt – freuten sich überall über ihre neue Freiheit und gediehen darin. Sie brachen durch die verbleibenden Hecken und warben mit Macht um die wenigen verbliebenen Kühe. Nach einiger Zeit kalbten einige von ihnen, und ihre Nachkommenschaft lieferte den Kern für eine neue und doch unendlich viel ältere Rasse. Eine Rasse, die überlebte.
    Die Schweine lagen in dem Rennen ums Überleben an guter Stelle. Wenn sie hungrig genug waren, konnten sie alles fressen, was auch nur entfernt eßbar war – von Aas bis Baumrinde. Es waren magere, hungrige Bestien, gemein und schnell. Manche von ihnen wurden zu Kannibalen und lernten, ihre Gegner zu Tode zu trampeln oder zu erdrücken, um dann auf den Kadavern herumzutrampeln, bis die lebensspendende Süße herausfloß.
    Auch Hühner und Hähne lernten das Überleben. Ihr Gehirn, eng und düster und halbmechanisch, nahm nur undeutlich wahr, daß mit der Welt um sie herum etwas nicht stimmte. Ein Großteil der Überlebenden lieferte für Wiesel, Hunde, Ratten, Katzen, Falken, Adler und selbst für Eulen zufriedenstellende Mahlzeiten. Die listigen Hühner jedoch retteten sich in die Bäume, bauten sich dort geschützte Nester und zeugten anpassungsfähigeren Nachwuchs, der besser als die Eltern zum Überleben in der Lage war.
    Kaninchen pflanzten sich mit ungehemmter Wonne fort. Ebenso Marder und Wiesel und Füchse. Ebenso Fischotter und Bisamratten.
    Ebenso das alte Rotwild Englands. Kleine Herden davon

Weitere Kostenlose Bücher