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Stigma

Stigma

Titel: Stigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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beschäftigen, es sei denn, sie haben gleichaltrigen Nachwuchs. Im Grunde hatte sich für ihn daran bis heute nichts geändert, was ihm auch keine schlaflosen Nächte bescherte.
    Schließlich blieb seine Aufmerksamkeit aber doch an einem bestimmten Namen hängen, dessen Klang seinen Puls noch immer in die Höhe trieb. »Neumann«, verkündete die etwas verblasste Schrift durch die abgenutzte Plastikverkleidung hindurch.
    »Babs.«
    »Wer?«, fragte Fanta.
    »Barbara Neumann.«
    »Eine Freundin von damals?«
    »Das könnte man sagen. In meiner Erinnerung sieht sie aus wie Karin, nur jünger natürlich. Aber ich denke, da bringe ich irgendwas durcheinander.«
    Fanta deutete die Melancholie in Toms Blick richtig. »Verstehe, die erste große Liebe.«
    Tom seufzte. »Sie hätte es werden können, wenn ich nicht …« Er schloss die Augen.
    »Glaubst du, sie wohnt immer noch hier?«
    »Nein, das halte ich für ausgeschlossen«, antwortete er ein wenig zu schnell. Er trat ein paar kleine Schritte zurück und fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare.
    »Was ist los, was hast du denn?«
    Tom zögerte ein paar Sekunden. »Es … es ist nur …«, begann er zaghaft. »Dieses Kapitel ist abgeschlossen. Und das sollte es auch bleiben.«
    »Weshalb sind wir dann hier?«
    »Sag du’s mir, Stefan.« Er deutete mit dem Finger auf seinen Freund, bis er bemerkte, dass seine Hand wieder zu zittern begonnen hatte. Genau wie sein Mut hatte sich auch seine neu gewonnene Selbstsicherheit anscheinend in Wohlgefallen aufgelöst. »Was soll dieser Ausflug? Was hoffst du hier zu finden?«
    »Keine Ahnung. Einen Hinweis? Spuren deiner Vergangenheit? Irgendetwas aus dieser Zeit, das mit diesen Vorfällen zusammenhängt?«
    »Das hier ist aber nicht meine Vergangenheit«, sagte Tom entschlossen. »Die ist einzig und allein hier drin.« Er tippte gegen seine Stirn.
    »Ja, und um sie dort rauszukriegen, brauchen wir einen Auslöser. Ich dachte, diese Eindrücke hier bewirken möglicherweise, dass du dich erinnerst.«
    »Woran, an eine Zahl?«
    »An irgendetwas, das dir hilft, dein verkorkstes Leben wieder auf die Reihe zu kriegen, schon vergessen?«
    Tom trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Er kam sich vor, als hätte man ihn zwischen zwei Züge gespannt, die in entgegengesetzte Richtungen fuhren. Auf der einen Strecke ging es ohne Umwege in die Gegenwart und damit zurück in sein Zuhause, das nun keines mehr war. Die andere führte auf die dunklen Gleise seiner Vergangenheit, die durch endlose, verschüttete Tunnel führten. Eine Reise, die ihm alles abverlangte, an deren Ende aber auch die Hoffnung schimmerte, die Weichen seines Lebens wieder richtig zu stellen.
    Erneut kam ihm der verlockende Gedanke an Flucht. Doch selbst ihm war mittlerweile klargeworden, dass diese Strecke auf toten Gleisen endete.
    »Na schön«, gab er schließlich geknickt nach. »Du willst also, dass ich mich in meine Kindheit zurückversetze?«
    Fanta nickte stumm.
    »Dann lass uns gehen.«
    Nachdem sie ein gutes Stück die Straße hinaufgegangen waren, stießen sie auf einen gepflasterten Weg, der um das obere Ende des Wohnblocks herumführte und kurz dahinter in ein ausgedehntes Spielgelände überging. Tom blieb wie angewurzelt auf den Stufen der kleinen Treppe stehen, die zu den leicht erhöhten Spielflächen hinaufführte.
    Schon auf dem Weg hierhin war das Gefühl der Verbundenheit, die er für diese Gegend empfand, mit jedem Schritt stärker geworden. Er sah auf den grauen Asphalt vor seinen Füßen hinab, über den er so oft als Kind gelaufen war und der so viele Geschichten und Eindrücke in ihm wachrief. Plötzlich musste er an den Tag zurückdenken, an dem er sich auf dieser Straße seine beste Hose ruiniert hatte, weil sie in die Kette seines Fahrrades geraten war, was ihm zwei Tage Hausarrest eingebracht hatte. Und an Chris, der seine ersten Versuche, diese Strecke mit einem Skateboard zu meistern, mit etlichen Schürfwunden und einer zertrümmerten Brille bezahlt hatte. Und er dachte an Babs, mit der er oft hier entlanggeschlendert war. Sie hatten auf den Schaukeln des Spielplatzes gesessen, und er hatte ihr von den Geschichten erzählt, die ihm im Kopf herumgeisterten. Sie war die Einzige gewesen, die darin etwas Besonderes sah, und er fragte sich jetzt, ob sie wohl jemals eines seiner Bücher gelesen hatte. All das schwirrte in seinem Kopf herum, und beinahe erwartete er jeden Augenblick seine Freunde um die Ecke biegen zu sehen, die mit

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