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Stigma

Stigma

Titel: Stigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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Spuren, denen die Beamten nachgehen konnten.
    Karin stürzte sich trotz allem in die Vorbereitungen für ihren Geburtstag. Zwar hatte sie angesichts der Ereignisse zunächst mit dem Gedanken gespielt, die Feier abzusagen, dann aber hatte sie sich dagegen entschieden. Denn im Gegensatz zu Tom brauchte sie den Kontakt und den Austausch mit anderen Menschen. Und sie fand, dass dies eine gute Gelegenheit war, ihre eigenen Sorgen für kurze Zeit zu vergessen. Also duftete es im Haus nach frisch gebackenem Kuchen und köstlichen Salaten. Sie war so voller Energie und Vorfreude, dass die Geschehnisse der letzten Tage mehr und mehr in den Hintergrund traten. Diese Stimmung schien sich auch auf Tom zu übertragen, denn trotz seiner andauernden Schreibblockade fühlte er ein wenig Normalität in sein Leben zurückkehren. Und Normalität war eine Droge, nach der er süchtig war. Andere mochten das vielleicht spießig oder langweilig finden, aber für ihn war jeder Tag ohne Überraschungen ein guter Tag.
    Das wechselhafte Wetter der beiden letzten Tage hatte sich wieder beruhigt, und die Sonne eroberte sich die Vorherrschaft am Himmel zurück. Es war ein herrlicher Frühlingstag, daher beschlossen sie, auf der Terrasse zu Mittag zu essen. Tom saß mit seiner Familie in der Sonne, und sie aßen, redeten und lachten, als hätte es niemals eine Vergangenheit gegeben, deren er sich entledigen musste. Alles schien wieder normal zu sein und seinen gewohnten Gang zu gehen.
    Nach dem Essen überredete Mark seinen Vater zu einem kleinen Fußballmatch, für das sie sich in den hinteren Teil des Gartens zurückzogen, wo die Stämme zweier Nussbäume als Torpfosten dienten. Ausgelassen tobten sie über den Rasen, taten so, als wären sie berühmte Fußballer in einem entscheidenden Endspiel, bolzten sich die Bälle zu und alberten herum. In diesem Moment wünschte sich Tom, dass die Zeit stehen bleiben würde, um die Gefühle, die er empfand, ewig festhalten zu können. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal so ausgelassen und glücklich gewesen war. Doch genau in dieser Sekunde schien das Schicksal erneut gegen ihn entschieden zu haben und machte ihm auf schmerzhafte Weise bewusst, dass alles Glück vergänglich ist.
    Tom war gerade im Begriff, Mark den Ball zuzuspielen, als sein rechtes Bein wieder von heftigen Schmerzen durchzuckt wurde wie unheilvolle Vorboten dessen, was gleich geschehen sollte. Verbissen verzog Tom das Gesicht und verlor die Kontrolle über den Ball, der hoch über Marks Kopf hinwegflog und schließlich nach etlichen Metern vor einer mannshohen Zypressenhecke liegen blieb, die das Grundstück an dieser Stelle begrenzte. Mark betrachtete seinen Vater hämisch und meinte nur: »Das musst du aber noch üben, Papa.«
    »Da hast du wohl recht, Champion«, erwiderte Tom und rieb sich das schmerzende Bein. »Aber ich befürchte, der Stürmerstar der deutschen Nationalmannschaft braucht eine verletzungsbedingte Auszeit.«
    »Wieder das blöde Bein«, stellte Mark enttäuscht fest.
    »Ja, das blöde Bein.«
    Mark sah traurig zu Boden.
    »Hey, Kopf hoch, Champ. Wir spielen nachher weiter, okay? Versprochen.«
    »Okay«, sagte Mark tapfer, obwohl er ahnte, dass es für heute mit dem Ballspielen vorbei war.
    »Alles in Ordnung bei euch?«, ertönte Karins Stimme von der Terrasse her.
    »Ja!«, rief Tom zurück. »Aber wir brauchen hier wohl ein bisschen seelisches Aufbautraining für einen geknickten Nachwuchskicker!« Mit einer Hand zeigte er auf Marks betrübtes Gesicht, mit der anderen auf sein Bein.
    »Na, wenn das so ist«, meinte sie, »dann kommt mal her. Ich habe hier noch Schokoladeneis zum Nachtisch. Das soll Wunder bewirken, hab ich mir sagen lassen.«
    Marks Gesicht hellte sich augenblicklich auf. »Au ja!«, johlte er begeistert.
    Tom lachte und strich seinem Sohn übers Haar. »Moment, ich hol nur schnell den Ball, und dann lassen wir es uns schmecken.«
    Tom hinkte zu der Hecke und bückte sich nach dem Ball. Als seine Hände ihn berührten und seine Finger die Ausbuchtungen der Nähte spürten, die sich wie wulstige Narben anfühlten, schien sich die Luft um ihn herum schlagartig zu verdichten. Es war, als hätte er mit dieser Berührung einen Riss in Raum und Zeit verursacht, der ihn in eine ferne Dimension befördert hatte. Alles um ihn herum stand plötzlich still, wurde von seinem Verstand ausgeblendet, um ihn auf das zu fokussieren, was sich wie ein glühender Lavastrom aus den Tiefen

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