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Stigma

Stigma

Titel: Stigma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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nicht stimmte. Doch sein Herz schlug so heftig, dass er fürchtete, sie könnte es durchs Telefon hören. »Was kann ich für Sie tun?«, fragte er so gelassen wie möglich.
    »Nun ja, Sie könnten mir die Tür öffnen«, antwortete sie.
    »Wie bitte?« Seine Verwirrung war komplett.
    »Ihre Haustür. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich unangekündigt auftauchen würde, um nach Ihnen zu sehen.«
    »Sie meinen, Sie stehen vor meinem Haus?«, fragte Tom unsicher.
    Wie zur Bestätigung klopfte es dumpf gegen das Glas.
    »Reicht Ihnen das als Beweis?«, rief der Schatten von draußen.
    Tom ließ den Hörer sinken und öffnete die Tür.
    »Na, Gott sei Dank«, sagte sie und lächelte ihn an. »Ich dachte schon, ich müsste Ihnen meinen Ausweis in den Briefschlitz werfen.« Sie verstaute ihr Handy in der Jacke ihres dunkelbraunen Kostüms, dessen enger Rock ihr bis knapp über die Knie reichte und ihre durchtrainierten Beine betonte. Dann bückte sie sich und griff nach der übervollen Einkaufstasche, die neben ihr stand. Als sie sich wieder aufrichtete, durchwühlte der aufkommende Wind ihr Haar und trieb es in ihr Gesicht, was sie einen kurzen Moment lang wie einen verführerischen Vamp aussehen ließ. »Ich hoffe doch, Sie wollen mich bei diesem Wetter nicht hier draußen stehen lassen«, meinte sie, und wie auf Kommando färbten die ersten Regentropfen die roten Pflastersteine der Einfahrt dunkel, in der ihr schwarzer Volvo stand.
    »Nein … natürlich nicht«, stammelte er noch immer etwas konfus und bat sie herein. »Sie sind allein?«, fragte er.
    Sie drehte sich zu ihm um, nachdem sie den Flur betreten hatte. »Ja«, antwortete sie und runzelte verwundert die Stirn. »Sind Sie immer so misstrauisch, wenn jemand vor Ihrer Tür steht?«
    »Nein«, erwiderte er unsicher, »ich dachte nur, ich hätte da draußen noch jemanden gesehen.« Er schloss die Tür. »War vermutlich nur einer von den Anglern vom See unten.«
    »Mir ist auf dem Weg hierher niemand aufgefallen.« Sie betrachtete ihn eingehend. »Meine Anwesenheit scheint Sie ziemlich nervös zu machen.«
    Er überspielte seine Unsicherheit mit einem Lächeln. »Nun ja, ich bekomme selten Besuch, wie Sie ja wissen. Aber selbst wenn, ruft der mich in der Regel nicht an, wenn er bereits vor meiner Tür steht. Warum haben Sie nicht einfach geklingelt?«
    »Weil ich sicher sein wollte, dass Sie mich hereinlassen und nicht später behaupten, Sie wären im Garten gewesen und hätten mich nicht gehört.«
    »Warum sollte ich das Ihrer Meinung nach tun?«
    »Tja, da fallen mir auf Anhieb ein Dutzend Gründe ein.« Sie lächelte zurück und deutete auf die Einkaufstasche in ihrer Hand. »Ich habe Ihnen ein paar Sachen eingekauft. Nur das Nötigste, von dem ich dachte, dass Sie es gebrauchen können. Das meiste davon sollte schnellstmöglich in den Kühlschrank.«
    Sie gingen in die Küche, wo Tom sich sofort daranmachte, die Tasche auszuräumen. Er fand frisches Obst, Brot, diverse vegetarische Aufstriche und gut ein halbes Dutzend Tiefkühlgerichte, bei deren Auswahl sie darauf geachtet hatte, dass keine tierischen Produkte oder Zusatzstoffe darin enthalten waren. Tom verschlug es die Sprache.
    »Ich …«, setzte er zögernd an, »ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    »Schon gut, Tom«, meinte Dr. Westphal, während sie am Tisch Platz nahm. »Anscheinend fällt es Ihnen immer noch schwer, zu glauben, dass es da draußen ein paar Menschen gibt, die sich tatsächlich Sorgen um Sie machen.«
    Hektisch räumte er das Obst und die Aufstriche in den Kühlschrank. Nicht aus Dringlichkeit, sondern weil er sich mit etwas beschäftigen wollte, um seine Nervosität zu überspielen. Nachdem er auch das Brot verstaut hatte, brachte er zum ersten Mal wieder die Kraft auf, Dr. Westphal in die Augen zu sehen.
    »Den Rest bringe ich gleich in die Kühltruhe«, meinte er und fand langsam die Fassung wieder. »Sie müssen meine Überraschung entschuldigen, ich hatte schon gedacht, Sie hätten mich aufgegeben.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Ich hatte nichts mehr von Ihnen gehört, seit … seit der Hypnose.« Verlegen kratzte er sich am Ohr. »Wie geht es Ihrer Wange?«
    »Nichts, was man nicht mit etwas Schminke kaschieren könnte«, meinte sie und lächelte ihn an. »Und was das andere angeht: Ich hatte in den letzten beiden Tagen ziemlich viel zu tun, daher hat mir die Zeit gefehlt, mich bei Ihnen zu melden.«
    Tom nickte. »Möchten Sie etwas trinken? Ich könnte Ihnen

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