Stilettos für Anfänger
es zu sehen.
Es wurde Zeit, zu gehen. Höchste Zeit. Er dachte nicht daran, für Annie den Übungslover zu spielen, damit sie einen anderen nach allen Regeln der Kunst verführen konnte.
Schon halb aus dem Raum, erkannte er, dass er so nicht gehen konnte, nicht mit den Plänen, die sie schmiedete. Er würde kein Auge zutun, solange er sich fragen musste, ob und wann sie diese idiotischen Pläne in die Tat umsetzen würde.
Er drehte sich um – und Annie, die ihm rasch gefolgt war, prallte gegen ihn. Er griff nach ihren Schultern, um sie zu stützen, und schüttelte sie dann ein wenig. “Du wirst niemanden verführen, hörst du?”
“Schrei weiter so, dann hört dich jeder hier im Haus!”
Wieder schüttelte er sie. “Wenn du den Mann erst überreden musst, dann stimmt was nicht mit ihm. Das kannst du mir ruhig glauben, Annie.”
“Nein.” Sie sah immer noch ein bisschen verträumt aus, ihre Augen blickten weich, und ihre Lippen waren leicht geschwollen. Die Hand, mit der sie seinen Po umfasst hatte, lag nun schützend auf ihrer Brust. “Es ist alles in Ordnung mit ihm. Er ist perfekt.”
Guy hätte schreien können vor Frustration. “Du”, sagte er “verstehst anscheinend überhaupt nichts von Männern. Ich sage dir, der Kerl muss ein absoluter Schwachkopf sein.”
Beschwichtigend erwiderte sie: “Okay, okay, er ist ein Schwachkopf.” Sie schöpfte Atem und starrte ihn dann mit großen hoffnungsvollen Augen an. “Du meinst also, ich sei verlockend genug? Er würde mich auch wollen, ohne dass ich die große Verführerin mime?”
Guys Augen weiteten sich; er wusste nicht, was er sagen sollte. Wieder schüttelte er sie sanft – das schien ihm das Sicherste zu sein. “Du hast gesagt, ich solle es mir mit der Verlobung noch mal überlegen. Also gut. Ich mache dir einen Vorschlag. Du überlegst dir das mit der Verführung, und ich überlege mir das mit dem Antrag. Wir denken beide noch einmal gründlich darüber nach. Okay?”
Zu seiner Überraschung stimmte sie sofort zu. Sie reichte ihm die Hand, mit der sie ihn vorher angefasst hatte, und sagte: “Einverstanden.”
Vorsichtig nahm Guy ihre schlanken Finger zwischen seine. “Annie …?”
“Du kannst jetzt nicht mehr zurück, Guy.” Sie drückte seine Hand kurz und gab sie dann wieder frei. Die Hände auf den Hüften, den Kopf erhoben, damit sie ihm in die Augen blicken konnte, sagte sie: “Bevor einer von uns etwas unternimmt, sprechen wir darüber. Wir diskutieren es vorher gründlich aus. Wir sorgen dafür, dass wir uns absolut sicher darüber sind, was wir tun und worauf wir uns einlassen. Wir dürfen nicht den geringsten Zweifel hegen, bevor wir …”
Guy legte einen Finger an ihre Lippen. “Das genügt, Annie.” Er zog seine Hand rasch wieder zurück, als er fühlte, wie geschwollen ihre Lippen noch von seinem Kuss waren. Er musste gehen. “Ich rufe dich morgen an. Und versuch in der Zwischenzeit mal darüber nachzudenken, wieso du überhaupt mit diesem Schwachkopf schlafen willst.”
Sie lächelte ihn an und seufzte. “Die Antwort darauf weiß ich jetzt schon.”
Ihre weiche warme Stimme ging ihm unter die Haut. Ein merkwürdiger Schmerz durchzuckte ihn, den er sich aber nicht einmal eingestehen wollte. Und darüber nachdenken wollte er schon gar nicht. Und so trat er zurück, räusperte sich und versuchte, einen plausiblen Grund dafür zu finden, warum er so bald ging.
Annie gab ihm keine Chance. Sie hob entnervt die Hände. “Ich weiß, ich weiß. Du gehst jetzt.” Dann lächelte sie. “Weißt du, das tust du jedes Mal, wenn du mich küsst.”
Vorsichtig ging er zur Couch, auf die er seine Jacke geworfen hatte. “Was?”
“Du küsst mich und ergreifst die Flucht. Warum?”
Wie konnte sie in diesem umwerfend sexy Kleid dastehen und ihm solch unschuldige Fragen stellen? Das würden auch klügere Köpfe als er kaum begreifen. Und er hatte eh schon Schwierigkeiten, sich auf das zu konzentrieren, was sie sagte. “Ich … ich wollte dich nicht küssen.”
Wieder seufzte sie, noch übertriebener diesmal. “Ach Guy. Es hat sich aber danach angefühlt, als wolltest du es.”
“Annie”, sagte er verzweifelt, “du weißt, dass du für mich wie …”
“Ich bin nicht deine kleine Schwester, Guy!”
Als ob er das nicht gewusst hätte. Er räusperte sich. “Das vielleicht nicht. Aber ich habe dich aufwachsen sehen. Und du bist Daniels kleine Schwester. Er vertraut mir. Dein Vater vertraut mir. Sogar Max vertraut mir,
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